GLHÜÜÜÜRG!!!
GLHÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜRG!!! Wer morgens um sieben von einem Laubsauger geweckt wird, weiß, warum Kriege entstehen.
Ich wohne neben einem Friedhof, auf dem Bäume stehen, viele Bäume. Würden diese Bäume nicht mit Toten gedüngt, könnte man sogar sagen: Ich wohne neben einem Wald. Menschen scheiden aus dem Leben, Bäume scheiden Laub aus, das ist der Kreislauf des Lebens. Verwesen Wesen, seid’s gewesen. Dagegen kann man nichts machen. Doch: Ruckidigu, Laub ist beim Schuh! GLHÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜRG!!!
Es ist nicht das Geräusch, das mir den Schlaf raubt, sondern der ihm innewohnende Beiklang der Sinnlosigkeit. Es ergibt keinen Sinn, Laub zu blasen. Bei Wind.
Wieso? Damit das Laub mal ein bisschen rumkommt? »Oh, schau mal, mein Schatz, ich bin geflogen, ich liege jetzt unter einem Ahorn, das ist ganz anders als bei uns zu Hause unter der Eiche, die Blätter sind viel zackiger hier! Es ist wie Urlaub, sieh mal, Läubchen, ich bin schon ganz braun!«
Es ergibt keinen Sinn. So wenig Sinn es ergibt, ein Gerät, das Laub von A nach B pustet, »Laubsauger« zu nennen, obwohl es nur ein »Laubbläser« ist: ein Laubfön, ein Airwolf, eine Windmaschine für den Auftritt der Biomasse.
Es ergibt keinen Sinn. Aber so sind wir Menschen: Wir tun oft das Gegenteil von dem, was wir wollen. Wir sagen Hü, wenn wir Hott meinen, saugen, wenn wir blasen meinen, wollen Frieden, führen aber Krieg.
Wir wollen alle unsere Ruhe und produzieren nichts anderes als Krach, wir stecken unsere Flossen in diese Hochleistungs-Airwölfe, die von Osten kommend aus China einwandern auf unsere Club- und Kneipenklos, angelockt von wasserlosen Urinalen: »Umweltfreundlich! Verbraucht 5 Prozent weniger Energie als ein Papierhandtuch«, steht drauf. Macht dafür aber auch tausend mal mehr Lärm:
HHHRRRWÜÜÜÜÜÜÜHHHH!
Von wegen »Dyson Airblade«, »Airblame« sollte es heißen! Eine Schande für die Luft! Aber energiesparend! Grandios! Schon morgen wird man deshalb das nächste deutsche AKW abschalten! Weil wir alle unsere Hände kollektiv trockengedröhnt haben! So geht Klimaschutz heute!
Ich stehe am Fenster, schaue dem Laubsaugermann bei seiner sinnlosen Arbeit zu und werde plötzlich ungemein traurig. Sind wir Kolumnisten und Lesebühnenautoren nicht so etwas wie die Laubsauger der Literatur?
Blasen wir nicht nur ein paar Worte in die Welt, wirbeln ein wenig auf? Und man schaut unseren Silben zu, wie sie durch die Luft wirbeln und dann zu Boden fallen und wie vorher vor sich hinverwesen?
Und wie geht es dem Laubsaugermann? Geht er am Abend nach acht Stunden sinnloser Laubbläserei nach Hause, und seine Frau fragt ihn: »Schatz, wie war dein Tag?«, und er schreit: »WAS?!« Und sie wiederholt: »WIE DEIN TAG WA-ARR!«, und er sagt: »SCHREI NICH’ SO, SCHATZ, ICK WILL EINFACH MEENE RUHE!« Und die hätte ich auch gerne, morgens um sieben, wenn die Laubbläser stieben.
GLHÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜÜRG!!!
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