Wird die Stichwahl das Ende einer Ehe?
Bulgariens Rechtsregierung durch schlechtes Ergebnis der Präsidentschaftskandidatin des Premiers angeschlagen
Hoch gepokert - und verloren. Eigentlich wollte Bulgariens Premier Bojko Borissow am Sonntagabend den elften Wahlsieg seiner rechten GERB-Partei gegen den sozialistischen Dauerrivalen BSP in Folge feiern. Doch nach dem überraschend schwachen Abschneiden seiner Hoffnungsträgerin Zezka Zatschewa in der ersten Runde der Präsidentenkür sah sich der 57-jährige Karatekämpfer mit der lästigen Erinnerung an ein erst vergangene Woche gegebenes Versprechen konfrontiert: sein sofortiges Abtreten, falls die GERB-Kandidatin den ersten Wahlgang nicht für sich entscheiden sollte.
Ein Mann, kein Wort. Er werde seinen Platz erst räumen, falls Zatschewa auch die Stichwahl gegen den von den Sozialisten unterstützten General Radew am kommenden Sonntag verlieren sollte, heißt es nun. »Wenn wir die Wahl verlieren, werden wir am Montag die Regierung verlassen - und in Neuwahlen ziehen.«
Ob als Sofias Bürgermeister, Oppositions- oder Regierungschef: Seit über einem Jahrzehnt dominiert der frühere Leibwächter Borissow das turbulente Geschehen auf Bulgariens Politparkett. Doch der einstige Glanz des selbst erklärten Saubermanns ist längst verblichen. In den letzten Monaten bewies der als beratungsresistent geltende Instinktpolitiker bei mehreren Manövern alles andere als ein glückliches Händchen.
So kreiden ihm Kritiker das Zerwürfnis mit dem scheidenden, vor fünf Jahren noch von GERB ins Amt gehievten Präsidenten Rossen Plewneliew an, dem Borissow eine zu distanzierte Haltung gegenüber Moskau vorgeworfen hatte.
Der eigenwillige Premier unternahm zudem nicht einmal einen ernsthaften Versuch, sich mit dem Koalitionspartner des bürgerlichen Reformblocks (RB) auf einen gemeinsamen Kandidaten zu verständigen. Stattdessen schob Borissow die Kandidatenkür immer wieder hinaus, um erst Anfang Oktober seiner verblüfften Partei die ihm zwar treu ergebene, aber wenig charismatische Parlamentsvorsitzende Zatschewa viel zu spät als seine Wunschmutter der Nation zu präsentieren.
Im ersten Wahlgang fand die hölzerne Liebhaberin mächtiger Hornbrillen mit nur 21,9 Prozent der Stimmen indes einen noch schlechteren Wählerzuspruch als von skeptischen Parteifreunden und Analysten vorab befürchtet: Mit fast vier Prozentpunkten Rückstand taumelt die strauchelnde GERB-Favoritin nun in das Duell mit ihrem parteilosen, aber als russlandfreundlich geltenden Rivalen Radew (25,76 Prozent).
Der drittplatzierte Nationalist Krasimir Karakatschwanow (14,96 Prozent) hält sich über seine mögliche Wahlempfehlung noch bedeckt. Zwar haben sich mit dem Geschäftsmann Veselin Mareschki (10,79 Prozent) und dem vom RB nominierten Traiko Traikow (6,06) immerhin zwei der 19 ausgeschiedenen Kandidaten für die Wahl der angeschlagenen GERB-Kandidatin ausgesprochen.
Doch auch, weil die türkische Minderheitenpartei DPS ihrem als diszipliniert geltenden Anhang nun die Wahl von Radew empfiehlt, gelten die Erfolgschancen von Zatschewa mittlerweile als ebenso zweifelhaft wie die Überlebenschancen der labilen Minderheitsregierung: Auch die bissigen Seitenhiebe des angesäuerten Premiers gegen den RB in der Wahlnacht deuten auf ein baldiges Ende der mühseligen Zweckehe hin.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.