Merkwürdigkeiten um Montenegro

Bei einem dubiosen Umsturzversuch in dem Balkanstaat soll Russland mitgemischt haben / Moskau dementiert »kategorisch«

  • Elke Windisch, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

»Kategorisch« dementierte Kremlsprecher Dmitri Peskow »jede Möglichkeit einer offiziellen Verstrickung in gesetzwidrige Handlungen, welcher Art auch immer«. Handlungsbedarf bestand, weil sich Indizien für eine russische Spur bei dem missglückten Umsturzversuch in Montenegro Mitte Oktober zunehmend verdichten. Das jedenfalls ergaben erste Vernehmungen des mutmaßlichen Drahtziehers: Aleksandar Sindelic, Bürger Serbiens, der dort Ende letzter Woche verhaftet, bereits an Montenegro ausgeliefert wurde und sich zur Zusammenarbeit mit den Rechtschutzorganen bereit erklärte. Schon seine ersten Auslassungen könnten Moskau trotz Dementi in Erklärungsnot bringen.

Eine tragende Rolle bei der Putschplanung - Ziel war ein Machtwechsel, mit dem der NATO-Beitritt Montenegros verhindert werden sollte - spielten offenbar Bürger Russlands. So jedenfalls der Chefermittler Sonderstaatsanwalt Milivoje Katnic. Demzufolge kämpfte Sindelic, Führer der rechtsextremen »Serbischen Wölfe«, die beste Kontakte zu den vom Kreml gesponserten russischen Biker-Club Nachtwölfe unterhalten, 2014 in der Ostukraine auf Seiten pro-russischer Separatisten. Dabei soll er seine späteren russischen Putsch-Komplizen kennen und schätzen gelernt haben. Mit zweien davon kehrte er später nach Serbien zurück. Dort sollen die Russen ihm finanzielle Unterstützung für den Putsch und Hilfe bei der Umsetzung des Planes angeboten haben, den sie gleich mitlieferten. Er sah vor, sich Uniformen montenegrinischer Sondereinheiten der Polizei zu besorgen und so kostümiert bei den Parlamentswahlen am 16. Oktober das Feuer auf ein Meeting der Opposition zu eröffnen.

Dadurch sollten die Regimegegner zum Sturm auf Regierungsgebäude in der Hauptstadt Podgorica - dem ehemaligen Titograd - und zur »Liquidierung« des prowestlichen Regierungschefs Milo Ðukanovic provoziert werden. Eine montenegrinische Oppositionspartei, so Chefermittler Katnic, sei in die Putschplanung auch involviert gewesen. Gemeint war offenbar die pro-russische Demokratische Front. Deren Führer hatten ihrem Anhang schon vor der Abstimmung versprochen, tags darauf die Macht zu übernehmen.

Für zwei der tatverdächtigen Helfer verfügte Serbien Ende Oktober die Zwangsabschiebung nach Russland. Bei Hausdurchsuchungen waren neben montenegrinischen Unformen auch Satelliten-Fotos von Parlament und Regierungssitz in Podgorica sichergestellt worden.

Die Bilder, so vermuten die Ermittler, könnten von russischen Geheimdiensten stammen. Dass die verhinderten Putschisten von ihnen auch Weisungen bekamen, lässt sich bisher indes nicht beweisen. Offizielle Vorwürfe und sogar ein Auslieferungsbegehren an Moskau verkneift Montenegro sich deshalb noch. Russische Balkan-Experten erklären das mit innenpolitischem Kalkül. Mit Rücksicht auf die traditionellen Sympathien von Massen und Eliten für Russland wolle Ðukanovic den Konflikt mit Moskau nicht zusätzlich anheizen.

Von »wasserdichten Beweisen für ausländische Beteiligung« bei den Putschvorbereitungen in Montenegro sprach auch Serbiens Regierungschef Aleksandar Vucic.

Um die Wogen zu glätten, flog Ende Oktober einer der engsten Vertrauten von Kremlchef Wladimir Putin höchstselbst nach Belgrad: Nikolai Patruschew, der Koordinator des nationalen Sicherheitsrates. Serbien ist eine der letzten Bastionen Russlands auf dem Balkan. Allerdings eine Bastion, die immer mehr wankt.

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