Selbstmordanschlag auf deutsches Konsulat in Afghanistan

Mindestens sechs Tote und über 100 Verletzte / Auswärtiges Amt: Bewaffnete Angreifer wurden zurückgeschlagen / Taliban bezeichneten den Anschlag als Vergeltung für NATO-Luftangriff

  • Lesedauer: 3 Min.

Masar-I-Scharif. Das deutsche Konsulat in der afghanischen Stadt Masar-i-Scharif ist zum Ziel eines Selbstmordanschlags geworden. Der Attentäter rammte nach afghanischen Polizeiangaben am Donnerstag einen mit Sprengstoff beladenen Lkw gegen die Mauer des Konsulats und löste eine massive Explosion aus. Mindestens sechs Menschen wurden getötet, mehr als hundert verletzt. Danach lieferten sich bewaffnete Angreifer auf dem Gelände Kämpfe mit Sicherheitskräften. Das Gebäude wurde schwer beschädigt.

Zu dem Anschlag bekannten sich die radikalislamischen Taliban. Die Detonation war in der ansonsten vergleichsweise ruhigen Stadt in Nordafganistan weithin zu hören, wie ein AFP-Reporter berichtete. In der Umgebung gingen Fensterscheiben zu Bruch, Anwohner flohen in Panik vom Anschlagsort. Es waren zeitweise Schusswechsel von dem Gelände zu hören, Helikopter standen über dem Konsulat, Krankenwagen rasten zum Ort des Geschehens.

Das Auswärtige Amt erklärte den Angriff am frühen Freitagmorgen für beendet. Alle deutschen Mitarbeiter seien »sicher und unverletzt«, hieß es in der Erklärung weiter. Es sei »noch nicht abschließend geklärt, wieviel afghanische Zivilisten und Sicherheitspersonal bei dem Angriff ums Leben gekommen oder verletzt worden« seien.

Das Gebäude des Konsulats sei »erheblich beschädigt« worden, erklärte ein Ministeriumssprecher in Berlin. »Die schwer bewaffneten Angreifer sind vom Sicherheitspersonal des Generalkonsulats, von afghanischen Sicherheitskräften und Sondereinsatzkräften von 'Resolute Support' aus Camp Marmal zurückgeschlagen worden«, teilte er mit. »Resolute Support« ist die Nato-Mission in Afghanistan, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist.

Der besondere Dank des Auswärtigen Amts gelte »den afghanischen Sicherheitskräften und den georgischen Einsatzkräften von 'Resolute Support', die mutig, professionell und ohne Zögern zu Hilfe geeilt sind und den Angriff erfolgreich zurückgeschlagen« hätten, erklärte der Ministeriumssprecher.

Krankenhäuser in Masar-i-Scharif berichteten von mindestens zwei Toten und mehr als 100 Verletzten - unter ihnen mindestens zehn Kinder. Einige der Verletzten seien in kritischem Zustand, sagte der Arzt Noor Mohammad.

Polizeichef Sajed Kamal Sadat sprach in Masar-i-Scharif von einem »Selbstmordtäter«, der einen mit Sprengstoff gefüllten Lastwagen in die Mauer des Konsulats steuerte. Der Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam sagte, die Explosion habe sich gegen 23.00 Uhr Ortszeit ereignet. Soldaten der Schnellen Eingreiftruppe aus dem Bundeswehr-Feldlager Camp Marmal seien umgehend auf das Gelände geeilt.

Die Taliban bezeichneten den Anschlag in Masar-i-Scharif als Vergeltung für einen NATO-Luftangriff in der Provinz Kundus, bei dem in der vergangenen Woche womöglich mehr als 30 Zivilisten getötet worden waren. Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid sprach von einem »Märtyrer-Angriff«, bei dem »Dutzende von Invasoren« getötet worden seien.

Die UNO und die NATO hatten nach heftigen Protesten eine Untersuchung des Luftangriffs in Kundus angekündigt. Das US-Militär räumte ein, dass bei dem Einsatz »sehr wahrscheinlich« Zivilisten getötet worden seien.

Die USA und ihre Verbündeten beendeten Ende 2014 ihren Kampfeinsatz in Afghanistan und übergaben die Verantwortung für die Sicherheit den afghanischen Sicherheitskräften. Die verbleibenden Nato-Truppen konzentrierten sich seitdem auf Ausbildung, Beratung und Unterstützung von Anti-Terror-Einsätzen.

Mehrere Rückschläge im Kampf gegen die Taliban ließen aber Zweifel an der Schlagkraft der afghanischen Polizei und Armee aufkommen. US-Soldaten beteiligen sich daher seit diesem Jahr wieder direkter am Kampf gegen die Taliban. AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!