Automatisierung der Arbeit

Smarte Worte 18: Das Ende der Fabrikarbeit? Das Schlagwort Industrie 4.0 suggeriert dies, doch auch komplexe Tätigkeiten werden immer mehr an Software übertragen.

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Historisch wurde unter dem Begriff Automatisierung der Arbeit insbesondere auf Fabrikarbeit abgezielt. Unter dem Schlagwort Industrie 4.0 spielt diese nach wie vor eine große Rolle, doch auch komplexe Tätigkeiten und kognitive Fähigkeiten werden an Software übertragen. Algorithmen schreiben Zeitungsartikel, errechnen Muster zur Verbrechensbekämpfung oder fahren Auto. Im Griechischen bedeutet das Wort automatos in etwa, von selbst bewegend oder aus eigenem Willen machend. Auch Kaffeevollautomaten oder Bankautomaten sind letztendlich Ausdruck der Automatisierung von Arbeit, zeigen aber, dass es längst nicht nur um Fabrikarbeit geht. Der technisch-wissenschaftliche Fortschritt, verstanden als Produktivkraftentwicklung, trieb schon Marx und Engels um, die die moderne Fabrik als »automatisches System der Maschinerie« beschrieben.

Für die Automatisierung der Arbeit (oder »Automation « ) gibt es ein ökonomisches und ein herrschaftstheoretisches Motiv. Ersteres besteht darin, den Preis der Arbeit zu senken, Letzteres darin, möglichen Widerstand der ArbeiterInnen zu erschweren. Durch Automation gehen die Fähigkeiten auf die Maschinen über und liegen dann weniger bei den sie bedienenden ArbeiterInnen. Dies motivierte im frühen 19. Jahrhundert die Ludditen, die sogenannten Maschinenstürmer, Fabriken und Anlagen anzugreifen, als deren Arbeitsplätze durch den Einsatz von automatischen Webstühlen bedroht waren. Technologische Arbeitslosigkeit treibt auch heute viele Lohnabhängige um, beispielsweise in der Diskussion zu Industrie 4.0.

Man darf sich aber nicht nur auf die destruktive Seite konzentrieren, um das Phänomen und seinen Siegeszug zu verstehen. Dass es auch anders gehen kann, zeigen Beispiele, wie durch mehr Automation auch mehr Autonomie der Arbeit entsteht. Denn menschliche Arbeit wird paradoxerweise wichtiger, je weniger sie eingesetzt wird. Fehlerbehebung, Kreativität und situatives Wissen sind nach wie vor schwer an Maschinen zu delegieren. Automation kann so, zumindest für einzelne, höhere Qualifikation nach sich ziehen. Daraus ergeben sich mitunter Forderungen nach mehr Kontrolle über den Produktionsprozess und weitgehende Mitsprache über Unternehmensziele. Wenn aber die Möglichkeiten gegeben sind, dass die ArbeiterInnen über die Produktion und die Wirtschaft selbst bestimmen, geraten sie in Konflikt mit kapitalistischen Strukturen. Hier zeigt sich der Widerspruch von Automation unter kapitalistischen Verhältnissen: Einerseits fällt immer weniger Arbeit an, gleichzeitig aber kann nur die ausgebeutete lebendige Arbeit Profit garantieren. Automatisierung ist somit Mittel der Profitsteigerung, aber gleichzeitig Bedingung der Überwindung der Profitlogik, denn Emanzipation setzt ein gewisses Niveau der Produktivkräfte voraus. Durch Automatisierung gibt es potenziell mehr (arbeits-)freie Zeit, Muße und die Möglichkeit zur Selbstbestimmung.

Automation auf Technisches zu reduzieren unterschlägt, dass Technik generell immer Element der gesellschaftlichen Verhältnisse ist und die betriebliche und gesellschaftliche Entwicklung sowie deren staatliche Regulation mitzubedenken sind. Denn fest steht, dass vollständige Automatisierung sich nicht einfach durchsetzt, nur weil sie machbar ist, sonst gäbe es hierzulande vollautomatisierte Textilfabriken. Studien, die vor millionenfachem Arbeitsplatzverlust durch Roboter warnen, blenden dies zumeist aus. Auch Crowdsourcing und Clickworking-Plattformen sind Beispiele dafür, wie Prozesse weiterhin von Menschen erledigt werden, anstatt sie zu automatisieren. Viele dieser Arbeiten bestehen allerdings nur aus noch nicht automatisierbaren Restaufgaben.

Technikentwicklung ist dennoch zentral. Die fortschreitende Automatisierung der Arbeit ist, neben anderen Gründen, aufgrund ihrer Universalität als Bruch mit vorangegangenen Prozessen zu verstehen. Leittechnologie für die aktuelle Dynamik sind frei programmierbare Computer, die hoch spezialisierte Werkzeugmaschinen steuerten. Das ändert sich aktuell, und relativ breit einsetzbare Roboter, beispielsweise in der Lagerlogistik, können inzwischen auch komplexe Tätigkeiten erledigen. Obwohl angesichts Künstlicher Intelligenz auch höher qualifizierte Arbeit nicht zwangsläufig exklusive Domäne der Menschen bleibt, gelten hoch qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze weiterhin als wenig bedroht. Automatisierung wird also ceteris paribus Klassenspaltungen eher vertiefen und nicht aus sich selbst heraus in ein Reich der Freiheit führen. (cm)

Zum Weiterlesen:

Marx, Karl: Grundrisse der Politischen Ökonomie. Das sogenannte »Maschinenfragment«, 1858, in: Marx, Karl/Engels, Friedrich: Werke (MEW), Bd. 42, Berlin, 1983, S. 590–605.

Brynjolfsson, Erik/McAffee, Andrew: The Second Machine Age. Wie die nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern wird, Kulmbach 2014.

Projektgruppe Automation u. Qualifikation: Widersprüche der Automationsarbeit. Ein Handbuch, Berlin 1987.

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