Der »Elfmetertöter« ist in Endzeitstimmung
Fußballprofi Rudi Kargus spielte lange Jahre für den Hamburger SV - inzwischen malt der Querkopf Bilder, die er nicht erklären will
Früher betrieben bekannte Fußballer nach Ende ihrer Karriere einen Tabakladen, später kamen Versicherungsagenturen in Mode. Heute erfreuen sich viele einer medialen Dauerpräsenz - als Kommentatoren, tragische Gestalten im »Dschungelcamp« oder in den Klatschspalten bunter Blätter. Einen ganz anderen Weg beschritt der ehemalige Nationaltorhüter und »Elfmetertöter« Rudi Kargus, der sich der Malerei widmet.
1972 nannte der 20-Jährige Jungprofi des HSV in einem Fragebogen einer Boulevardzeitung »bürgerliche Existenz« als größten Wunsch. Nun ja, es kam anders. Heute ist er Künstler. Der in Quickborn lebende Ex-Profi hätte sich damals wohl nicht träumen lassen, einmal Sätze zu sagen wie: »In der Malerei kann ich mich völlig verlieren und alles um mich herum vergessen.« Den Impuls zu seiner Leidenschaft lieferte ein Maler, den Kargus einst auf einer Reise nach Fuerteventura kennengelernt hatte. Dann traf er auf seinen Mentor, dem er heute noch verbunden ist: Jens Hasenberg, ehemals Dozent an der Kunstschule in Blankenese: »Über ihn kam ich zur Ölmalerei. Hasenberg hat das Talent, seine Schüler unter Beibehaltung ihrer Eigenheiten zu fördern, was mir gut getan hat.« 1996 griff der heute 64-Jährige erstmals zu Pinsel und Farben. Zunächst malte er Aquarelle und experimentierte mit Acrylfarben. Nun trägt er etwas dicker auf.
Bis zum 22. November sind seine meist großflächigen Bilder in der Hamburger Galerie Holthoff-Mokross (Fischers Allee 70) zu sehen. Die Kunstwerke in der Ausstellung »Yell« (engl.: der Schrei) wirken auf den ersten Blick düster, bisweilen verstörend und vermitteln Endzeitstimmung. Menschen machen sich rar auf den Bildern, die »Zone 2«, »Schanda« oder »Spukende« heißen. Und wenn sie unvermittelt auftauchen, schippern sie wie der einsame Mann auf dem Bild »Dukla« einer düsteren, ungewissen Zukunft entgegen. »Das Leben ist nun mal komplex und schwer in den Griff zu bekommen«, kontert Kargus den Vorhalt, zu viel Pessimismus mit seiner Kunst zu transportieren. Und tatsächlich: Die Verwendung bunter, strahlender Farben, die die vom ihm gerne verwendeten Grau- und Brauntöne grell kontrastieren, gibt auch der Hoffnung Raum.
Kargus bezeichnet seine Werke als »kraftvolle experimentelle Malerei, die im Jetzt verhaftet ist und zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit changiert«. Er weigert sich aber strikt, seine Bilder zu erklären: »Die sprechen doch für sich.« Schon als Fußballprofi war der gebürtige Wormser für seine Querköpfigkeit und nachdenklichen Zwischentöne bekannt, die er nun mit dem Pinsel auf die Leinwand bannt.
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