»Trump kann die Entwicklung nicht zurückdrehen«

Schauspieler Ewan McGregor über sein Regiedebüt »Amerikanisches Idyll«

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.

Ewan McGregor wurde mit Danny Boyles »Trainspotting« über Nacht zum Star. Der Schotte spielte in »Star Wars«, »Die Insel« sowie »Illuminati«, »The Ghostwriter« und »Verräter wie wir«. Mit der Verfilmung von Philip Roths »Amerikanisches Idyll« gibt er sein Regiedebüt, gleichzeitig übernahm er die Rolle des Firmenerben Seymour »Suede« Levov, dessen Selbstverständnis durch einen Bombenanschlag seiner 16-jährigen Tochter Merry auf einen kleinen Laden erschüttert wird.

Nach der Premiere in Toronto kritisierten amerikanische Journalisten, Sie hätten als Schotte diese uramerikanische Geschichte nicht richtig verstanden. Hatten Sie selbst je Zweifel?
Nach dieser Logik hätte der Nordengländer Danny Boyle niemals »Trainspotting« inszenieren dürfen. Ich lebe seit 2008 in den USA, ich ahne, wie die Amerikaner ticken. Ich kenne das Buch in und auswendig, die Hörfassung begleitete mich im Auto und beim Joggen.

Philip Roth stuft den Film eine der besten Adaptionen seiner Romane ein?
Das Kompliment schmeichelt mir. Ich hatte natürlich Angst, dass ich versage und er den Film nicht mag.

Was mochten Sie an dem Roman?
Die älteste meiner vier Töchter war 15 und nabelte sich ab, als mir dieses Buch über einen Mann angeboten wurde, der nach dem Verschwinden seiner Tochter beinahe den Verstand verliert. Roth, der selbst keine Kinder hat, beschreibt präzise die Beziehung zwischen Vätern und Töchtern. Und offenbar wollte er endlich einen sympathischen Mann mit weichen Seiten und sozialer Kompetenz porträtieren. Dieses Verhalten interessierte mich.

Ich habe den Eindruck, dass Sie die Geschichte zeitloser und allgemeingültiger angelegt haben?
Die Atmosphäre jener Ära sollte schon korrekt sein, ich wollte aber nie den ästhetischen Touch eines historischen Films. Die Kostüme kamen ohne Übertreibungen mit knallbunten Farben aus. Und im Haus, dem Rückzugsgebiet des Suede, sind die Veränderungen nur dezent angedeutet.

Roth beschreibt ausführlich die Deindustrialisierung und den Niedergang ganzer Stadtviertel. Die Menschen dort fühlen sich abgehängt, wählten wohl eher Trump?
Trump kann die Entwicklung nicht zurückdrehen. Die Nostalgie treibt weltweit schon absurde Blüten. Der Brexit ist schrecklich. Die Konservativen in GB wollen die Fuchsjagd wieder einführen und die »Britannia« nachbauen. Und das in einer Zeit, wo 50 Millionen Menschen auf der Flucht sind.

Haben Sie überlegt, die Hauptrolle nach der Übernahme der Regie abzugeben?
Ich war seit drei, vier Jahren als Hauptdarsteller angefragt, als mich die Nachricht vom Tod von Regisseur Philip Noyce erreichte. Ich habe mich dann selbst ins Gespräch gebracht und es nie bereut. Ich habe seit 15 Jahren auf die Chance gewartet, hinter die Kamera zu wechseln.

Wer war Ihr wichtigster Ratgeber?
eine Frau Eve Mavrakis. Ich bin Katholik. Meine Frau stammt aus einer jüdischen Familie, wir sind seit mehr als 20 Jahren verheiratet, unsere Kinder sind mit den jüdischen Traditionen aufgewachsen. Daher freut es mich, am Ende des Films das Kaddisch zu hören. Wir vergessen während des Films, dass der Suede Jude ist, weil die Religion für ihn keine Rolle spielt. In seinem Unterbewusstsein ist er doch von ihr geprägt. Das hat meine Frau im Gegensatz zu mir in Roth` Roman erkannt.

Werden Sie nochmals Regie führen?
Ich hoffe, dass es nicht nochmal 15 Jahre dauert. Wobei ich mich nie als Debütant fühlte. Das Budget war ausreichend, hinter mir stand eine erfahrene Produktionsfirma. Ich arbeitete mit Jennifer Connelly und anderen tollen Schauspieler sowie einer Spitzen-Crew. Mein zweiter Film wird mein Debüt: Ein Gegenwarts-Projekt mit schmalem Budget, sechs Wochen Dreh mit jungen Leuten. Ohne eigene Rolle, dafür ästhetisch und inhaltlich rauer als dieses klassische Drama.

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