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Suche nach dem Ende der Gewalt

Seit Mitte November gilt in einem Damaszener Vorort ein lokaler Waffenstillstand / Vereinte Nationen sind skeptisch

  • Karin Leukefeld, Damaskus
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach jahrelangen Verhandlungen haben Kämpfer den Damaszener Vorort Moadamiya verlassen. Eine erste Vereinbarung war bereits 2014 getroffen, durch anhaltendes Misstrauen auf beiden Seiten und durch neu aufflammende Kämpfe aber wieder gebrochen worden. Das endgültige Abkommen wurde dann im September 2016 unterzeichnet. Doch es sollte noch weitere zwei Monate dauern, bis es Mitte November endlich in Kraft trat. Diejenigen, die ihre Waffen nicht abgeben und weiterkämpfen wollten, wurden in Bussen nach Idlib gebracht. Die nordsyrische Provinz steht unter Kontrolle der islamistischen »Eroberungsarmee«, deren Speerspitze die »Front zur Eroberung von Syrien« (Jabhat Fatah al-Sham) ist. Besser bekannt als Nusra Front, ein Kind von Al-Kaida. Die Gruppen werden von Saudi-Arabien, der Türkei und Golfstaaten unterstützt.

Familienangehörige dieser Kämpfer wurden vor die Wahl gestellt, ihren kämpfenden Männern oder Söhnen zu folgen oder in einem Auffanglager bei Damaskus untergebracht zu werden.

Männer aus Moadamiya, die ihre Waffen niederlegen wollten, konnten von einem umfassenden Amnestieangebot der Regierung Gebrauch machen. Gegen Unterzeichnung einer entsprechenden Erklärung, wurde ihnen erlaubt, in Moadamiya zu bleiben. Weiterhin sieht die Vereinbarung vor, Gefangene aus Moadamiya freizulassen und die Infrastruktur (Wasserversorgung, Strom, Straßen) wieder herzustellen.

Die Vereinten Nationen, die nicht an der Vermittlung beteiligt waren, hatten sich skeptisch gezeigt und vor einer »erzwungenen Umsiedlung« der Einwohner gewarnt. Die syrische Opposition im Ausland spricht von einer gezielten »Vertreibung der sunnitischen Muslime« und verurteilt die Vereinbarungen als »erzwungene Unterwerfung«. Doch in den betroffenen Orten zeigen sich immer mehr Menschen davon überzeugt, dass die Gewalt ein Ende haben muss, und drängen die Kämpfer - häufig ihre Angehörigen -, die Waffen niederzulegen.

An den Verhandlungen sind viele Seiten beteiligt. Das lokale Versöhnungskomitee von Moadamiya, bestehend aus angesehenen Persönlichkeiten des Ortes, Geistlichen verschiedener Glaubensrichtungen, Stammesführern, Abgeordneten und Geschäftsleuten, suchte seit 2012 den Kontakt zu den verfeindeten Seiten, um sie zur Einstellung der Kämpfe zu bewegen. Unterstützung für die Vermittler kam vom Ministerium für nationale Versöhnung, das von der oppositionellen Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei (SSNP) geleitet wird.

Leider gehe es noch nicht um Versöhnung, sagte der leitende Minister Ali Haidar im Gespräch mit dem »nd«. Alle Seiten seien erschöpft und suchten nach einem Ende der Gewalt, daher spreche er von sozialen oder lokalen Waffenstillständen. Mehr als 10 000 Syrer hätten bisher ihre Waffen niedergelegt. Die eigentliche Versöhnung zwischen Tätern und Opfern müsse erst beginnen und werde nicht einfach sein.

Das Russische Zentrum für die Versöhnung der verfeindeten Seiten in Syrien mit Sitz in Hmeimien/Lattakia notierte in seinem täglichen Bulletin am Freitag 951 lokale Versöhnungsvereinbarungen. Vor acht Monaten waren es 51.

Auch in Aleppo wird trotz zunehmender militärischer Gewalt weiter verhandelt. Im Osten der Stadt und im Umland sind die oppositionellen und bewaffneten Gruppen zerstritten. Während lokale Gruppen das staatliche Amnestieangebot annehmen, die Waffen niederlegen und mit Zivilisten aus der Kampfzone evakuiert werden wollen, beharren islamistische Hardliner darauf zu bleiben. Fast täglich kommt es zu Protesten der Bevölkerung, die unter dem Motto »Zieht ab oder lasst uns gehen« auf die Straße gehen. Am Donnerstag wurde ein Protest von rund 300 Menschen in Ost-Aleppo von Kämpfern mit Schüssen auseinandergetrieben. Dabei sollen nach Angaben von russischen und syrischen Militärs bis zu 19 Personen getötet worden sein.

Ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums sagte, die Kämpfer hätten die Straßen zu den humanitären Korridoren vermint, die im September für Zivilisten und Kämpfer, die ihre Waffen abgeben wollen, eingerichtet worden waren.

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