Ein »Schandfleck« für die USA
Vor fünf Jahren kamen die ersten Gefangenen in das berüchtigte Militärlager Guantanamo
Über 750 Menschen aus mehr als 40 Ländern wurden von den USA im international scharf kritisierten Hochsicherheitslager auf dem Militärstützpunkt Guantanamo Bay (Kuba) festgehalten, seit hier vor fünf Jahren, am 11. Januar 2002, die ersten angeblichen Terrorverdächtigen eintrafen.
Fünf Jahre »danach« sind die meisten der noch immer 395 Gefangenen in den für 37 Millionen Dollar neu gebauten Trakten »Camp 5« und »Camp 6« in Isolierzellen untergebracht. Dies berichtete die USA-Anwältin Gila Gutierrez, die für das New Yorker »Center for Constitutional Rights« arbeitet und Weihnachten von einem mehrtägigen Aufenthalt nach Gesprächen mit Häftlingen in die USA zurückkehrte. Die Haftbedingungen hätten sich im Vergleich zu den Vorjahren »verändert«, aber nicht verbessert. Nach wie vor würden die Häftlinge misshandelt, aber nicht wie zuvor mit offensichtlichen Foltermethoden, die strafrechtsrelevante Folgen für die Folterer nach sich ziehen könnten, sondern subtiler.Neben dem psychologischen Stress und der Aussicht, lebenslang inhaftiert zu beleiben, ohne die Vorwürfe und Gründe dafür zu kennen, seien »extreme Isolation und Manipulation durch die Umgebung« die Hauptprobleme, mit denen die Gefangenen zu kämpfen hätten, so Gutierrez. Extreme Folter während der Verhöre werde kaum mehr angewendet, dafür sei die körperliche Misshandlung geschickter geworden. Die Lichter in den Isolationszellen seien 24 Stunden lang an, die Wärter würden Tag und Nacht mit den Fäusten an die Türen schlagen und selbst mitten in der Nacht lärmend durch die Gänge ziehen - offenbar, um die Häftlinge mit einem zermürbenden Schlafentzug zu quälen. Zudem seien sie extremen Temperaturunterschieden ausgesetzt.
Während Mitglieder des Roten Kreuzes unter der Bedingung, nichts an die Medien weiterzugeben, Kontakte zu allen Gefangenen in Guantanamo haben, verwehrt das Pentagon Journalisten den freien Zugang zu dem berüchtigten Lager. Nur ausgewählte Medienvertreter haben Zutritt - und bekommen die »schönen« und »menschenfreundlichen« Seiten des Lagers präsentiert. Die Öffentlichkeit ist deshalb auf Berichte von Anwälten, die allerdings ebenfalls der Schweigepflicht unterworfen wurden, und von Ex-Gefangenen angewiesen.
Über die Haftbedingungen im neuen Hochsicherheitstrakt sickerte bislang nur durch, dass die Häftlinge durch lange, enge Fenster auf weitere Innenräume aus Beton, Metall und Glas schauen müssen. Jeweils nur ein Gefangener hat kurzen Ausgang, ohne seine Mithäftlinge treffen zu können. Außerdem dürfen die Wärter Gefangene während ihrer Reinigungsduschen an Armen und Beinen festketten. Proteste, Petitionen, Gerichtsverfahren und lauter werdende Stimmen, die die Schließung von Guantanamo fordern, haben in den vergangenen fünf Jahren kaum dazu beigetragen, Licht in das Dunkel des Lagers zu bringen.
Ab März sollen Militärtribunale, die von einer Kongressmehrheit im September 2006 unter dem Namen »Military Commissions Act« beschlossen wurden, ihre Arbeit aufnehmen. Allerdings werden nur etwa 75 Gefangene in den »Genuss« dieser fragwürdigen Gerichtsbarkeit kommen. Die Mehrzahl wird schlimmstenfalls in dem schwarzen Loch verschwinden, das das Gesetz für sie vorgesehen hat, und auf unbestimmte Zeit eingekerkert bleiben, einschließlich weiterer Folter.
In der hiesigen Öffentlichkeit spielt die Existenz von Guantanamo politisch kaum eine Rolle. USA-Aktivisten wie »peace mom« Cindy Sheehan, die am Donnerstag vor den Toren von »Gitmo« protestieren werden, setzten deshalb große Hoffnung auf die Demokratenmehrheit im neuen Kongress. Der Abgeordnete John Murtha, der an führender Stelle im parlamentarischen Bewilligungsausschuss sitzt, kündigte am Dienstag Anhörungen mit dem Ziel an, das Lager zu schließen. Er werde dafür sorgen, dass »der Geldhahn abgedreht« wird. Murtha sprach wohl vielen Amerikanern, die sich für Guantanamo schämen, aus der Seele, als er sagte, das Lager sei ein »Schandfleck für das Land«.
Zahlen und Fakten
Kuba hat den USA das 1000 km südöstlich von Havanna gelegene Gebiet 1903 als Dank für die Unterstützung im Krieg gegen Spanien überlassen. Havanna fordert seit 1960 die Rückgabe der Enklave. Die 117 km² sind rechtlich gesehen nicht Teil der USA. Die Bush-Regierung meint deshalb, dass für die Gefangenen nicht das eigene Justizsystem gelte. Sie sieht die Insassen als »unrechtmäßige feindliche Kämpfer« und verweigert ihnen die Behandlung als Kriegsgefangene gemäß der Genfer Konvention. Nur gegen zehn wurde bislang vor Sondermilitärgerichten Anklage erhoben. 2004 räumte das Oberste Gericht der USA den Gefangenen das Recht ein, gegen ihre Inhaftierung USA-Gerichte anzurufen. Mehrere reichten Klage auf Haftprüfung ein, auch der inzwischen freigelassene Bremer Türke Murat Kurnaz. Im Juni 2006 erklärte das Oberste Gericht die Tribunale für illegal. Präsident Bush unterzeichnete daraufhin ein Gesetz, das den Bundesgerichten die Zuständigkeit für Anhörungen entzieht, neue »Militärkommissionen« und weite...
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