Auf Erdogans Fahndungsliste
Kurdischer Abgeordneter reist durch Europa, um auf die Lage in der Türkei aufmerksam zu machen
Er ist gewählter Volksvertreter des türkischen Parlaments, doch diese Tatsache schützt den HDP-Abgeordneten Faysal Sariyildiz derzeit unter der Herrschaft von Recep Tayyip Erdogan nicht. Der türkische Präsident zieht die Daumenschrauben gegen Oppositionelle immer noch weiter an, und zu seinen selbst erklärten Hauptfeinden gehören insbesondere die Kurden. Der aus Cizre stammende Kurdenpolitiker weilte jetzt für eine Veranstaltung an der Universität in Kiel.
Der HDP-Abgeordnete steht wie seine Parteifreunde besonders im Fokus von Erdogans Sicherheitsapparat, der die Führungsriege der HDP bereits in Haft genommen hat. Bei einer Rückreise droht auch dem 41-jährigen Sariyildiz die Festnahme. Mit Vorträgen schildert er europaweit die aktuellen undemokratischen Zustände in der Türkei. Seit Montag ist er beispielsweise Gast beim EU-Parlament. Er will, dass die Welt genauer auf die Türkei schaut und nicht länger zum dortigen Regime schweigt. Gerade Deutschland fällt dabei aus seiner Sicht eine Schlüsselrolle zu. Seine Überzeugung: Solange es den »Flüchtlingsdeal« mit der Türkei gibt, werden Deutschland wie die EU durch Erdogan erpressbar bleiben.
In Kiel, wo seit nunmehr einer Woche von einem HDP-Bündnis ein Solidaritäts- und Protestzelt am Platz vor dem Hauptbahnhof aufgebaut ist, wurde Sariyildiz von Flemming Meyer begrüßt, Landtagsabgeordneter und Vorsitzender der Partei der dänischen Minderheit, dem Südschleswigschen Wählerverband. Aber auch vom Kieler DGB-Chef Frank Hornschu. Auch der Landessprecher der Nord-LINKEN, Lorenz Gösta Beutin, ließ sich die Ansprache des verfolgten Kurdenpolitikers nicht entgehen.
Der derzeit quasi im Exil tätige Politiker stellt den türkischen Staatspräsidenten in eine Reihe mit historischen Despoten und spricht von Vorkommnissen wie unter einem faschistischen Regime. Akademiker, Juristen, Freidenker, Journalisten und unliebsame Politiker - immer mehr von ihnen werden unter Druck gesetzt, verlieren ihren Arbeitsplatz oder landen im Gefängnis. Und besagter Druck trifft auch immer die jeweiligen Familienangehörigen. Sariyildiz spricht von einem von der Staatsführung verbreiteten Klima der Angst und Einschüchterung. Er selbst saß wegen politischer Aktivitäten bereits fünf Jahre in Haft. Insbesondere schilderte er in Kiel noch einmal die brutalen Gewaltakte während der fast dreimonatigen Belagerung und Zerstörung der Stadt Cizre Ende 2015 durch Erdogans Sicherheitskräfte. Er geißelt dabei den Massenmord vom 14. Dezember an 143 kurdischen Zivilisten, die mit Benzin übergossen und dann am lebendigen Leibe verbrannt wurden, als Genozid, wofür es eigentlich zu einem Prozess vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag kommen müsste.
Gewerkschafter Hornschu berichtet, dass die politischen Willkürakte in der Türkei auch immer mehr zum Alltagsthema in Deutschland werden, Einzug in Familien und am Arbeitsplatz halten. Die politische Auseinandersetzung in der Türkei ist nach seinen Worten in unserer Nachbarschaft angekommen. Daher hat der DGB eine Resolution mit Appellcharakter verabschiedet, die zur Verteidigung des freien Wortes aufruft.
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