Die schwarz-rot-oranje Bundeswehr
Trump hin oder her - die Vernetzung westeuropäischen Armeen wird vorangetrieben
Inzwischen hatte man in den EU-Hauptstädten ein wenig Zeit, um die Wahlentscheidung der US-Amerikaner zu verdauen. Dennoch: Donald Trump, der nächste US-Präsident, bleibt ein politisch Unbekannter. Im Wahlkampf hatte er unter anderem die NATO und die verabredete Beistandspflicht der westlichen Allianz in Frage gestellt und höchst leichtfertig mit dem Thema Atomwaffen jongliert. Auch diverse Hinweise darauf, dass er sich mit dem russischen Präsidenten verständigen wolle, treiben NATO-Verantwortlichen Sorgenfalten auf die Stirn. Will Trump wirklich das bei den NATO-Gipfeln in Wales und Warschau Beschlossene revidieren? Will er unter dem Sturmschrei » America First« verlangen, dass die Westeuropäer ihr Interesse - was immer das ist - ohne militärischen US-Beistand durchsetzen?
Auch wenn Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) etwas verhuscht auf die neuen politischen Konstellationen reagiert, insgeheim wird sie ihre Vorgänger und sich loben, dass Deutschland beizeiten auf eine grenzüberschreitende militärische Zusammenarbeit Kurs genommen hat. Keine andere Streitmacht ist so stark mit europäischen Armeen vernetzt wie die Bundeswehr. Man arbeitet auf hoher Ebene in Großverbänden wie dem Deutsch-Polnisch-Dänischen oder dem Deutsch-Niederländischen Korps zusammen. Im sogenannten Eurokorps leben und üben Soldaten aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg und Spanien zusammen. Polen, Griechenland, die Türkei und Italien sind assoziiert.
Zugegeben, vieles schien zunächst aus dem gemeinsamen Mangel heraus geboren zu sein. Doch bald war auch politisch klar: »Egal ob NATO- oder EU-Allianz, die militärische Zusammenarbeit der europäischen Staaten wird enger.« Diese Gewissheit strahlte von der Leyen auf der jüngsten Kommandeurtagung der Bundeswehr aus. Die fand kurz vor den Wahlerschütterungen in den USA statt und die Ministerin hatte eigentlich im Sinn, die Lücke, die der EU-Ausstieg Großbritanniens schlagen wird, durch deutsch-französische Kooperation zu schließen. Was natürlich auf eine militärische Führungsrolle der beiden Nationen innerhalb der EU hinausläuft.
Zugleich hatte von der Leyen mit Blick auf NATO und EU abermals ihr sogenanntes Framework Nations Concept als Erfolgsmodell angepriesen. Es geht um die weitere Verzahnung der Streitkräfte und um Vernetzung auf Verbandseben. Das verspricht Effektivitätszuwachs, verstärkt zugleich aber gegenseitige Abhängigkeiten. Dass die offenbar beherrschbar sind, zeigt die vielseitige Kooperation zwischen Deutschland und den Niederlanden. Nicht nur, dass die beiden Ministerinnen - Jeanine Hennis-Plasschaert und Ursula von der Leyen - gut miteinander können. Das gute Miteinander setzt sich bis zur Bataillonsebene fort.
Vorreiter in der Heereszusammenarbeit ist die deutsche Division Schnelle Kräfte. Zu ihr gehören seit 2014 nicht nur rund 9500 Bundeswehrsoldaten, sondern auch 2300 niederländische von der 11. Niederländische Luftmobile Brigade. Auch bei der 1. deutschen Panzerdivision klappt die Verzahnung. Ihr ist die 43. Niederländische Brigade unterstellt, die wiederum das neu aufgestellte und im niedersächsischen Bergen stationierte deutsche Panzerbataillon 414 führt.
Die Marine hat sich gleichfalls auf Zusammenarbeit verständigt. Die »Karel Doormann«, eine Art Versorgungsschiff, das auch als Hubschrauberträger eingesetzt werden kann, wird binational genutzt. Dazu unterstellte man das deutsche Seebataillon aus Eckernförde dem niederländischen Korps Marinier.
Kaum ein Jahr ist vergangen, seit Deutschland und die Niederlande das Projekt »Apollo« verabredeten. Es geht um die Zusammenführung bodengebundener Luftverteidigung. Geführt werden die »Patriot«-Staffeln aus einem gemischt besetzten Gefechtsstand. Von dort weist man deutschen und niederländischen Flugabwehrsystemen Ziele zu. Was natürlich eine rege Übungstätigkeit voraussetzt. Davon hörte man nichts.
In seiner jüngsten Ausgabe berichtet nun das Magazin »Bundeswehr aktuell« über ein Raketenschießen, das jüngst auf Kreta stattgefunden hat. Rund 500 deutsche und niederländische Flugabwehrsoldaten sollen dort reibungslos miteinander zusammengearbeitet haben. Zur Zeit werden gemeinsame Vorschriften verfeinert, man will eine gemeinsame Air & Missile Defence Academy aufbauen und die Flugabwehrraketengruppe 61 aus Todendorf unter niederländisches Kommando stellen.
Dass die Gemeinsamkeit sich nicht im Üben erschöpft, zeigen diverse Einsätze. Man teilt sich in die schnelle NATO-Speerspitze. Diese VJTF ist eine rund 5000 Soldatinnen und Soldaten starke Einsatztruppe. Sie besteht aus Land-, Luft -, See- und Spezialkräften und wird für weltweite Einsätze bereitgehalten. Die Bundeswehr und niederländische Soldaten stellen ebenso gemeinsam mit anderen NATO-Staaten das deutsch geführte Kampfbataillon in Litauen. Und auch im afrikanischen Mali treffen sich Soldaten beider Länder wie alte Bekannte. Als die Niederländer den Einsatz von Hubschraubern nicht länger sicherstellen konnten, sprangen die Deutschen ein. Im Januar ist Wachwechsel.
Ähnliche Kooperationsprojekte hat die Bundeswehr vor Jahren auch schon mit dem östlichen NATO-Partner Polen angeschoben. Derzeit aber lässt das etwas rauere politische Klima zwischen beiden Staaten derartige Konzepte nicht so recht reifen.
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