Jeder kämpft für sich allein
Vor der nächsten Bundestagswahl sind keine eindeutigen Lager mehr zu erkennen
Vor wenigen Jahren war die deutsche Parteienlandschaft noch recht übersichtlich. In Lagerwahlkämpfen wurden klare Präferenzen für mögliche Koalitionspartner genannt. Die Union wollte am liebsten mit der FDP zusammengehen, die SPD mit den Grünen. Lediglich die PDS und später ihre Nachfolgerin, die Linkspartei, waren außen vor und wurden lediglich von den Menschen gewählt, die einer oppositionellen Kraft ihre Stimme geben wollten.
Die Zeiten haben sich geändert. Vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr vermeiden alle Parteien Koalitionsaussagen. Jeder kämpft für sich allein. Das liegt zum einen daran, dass die Mehrheitsverhältnisse unsicher sind. Im nächsten Bundestag werden sechs Fraktionen sitzen, wenn der FDP der Sprung über die Fünfprozenthürde gelingen sollte. Ein weiterer Grund ist die inhaltliche Flexibilität von Kanzlerin Angela Merkel, die nun erneut als Spitzenkandidatin für die Union antritt. Führungspolitiker von SPD und Grünen stehen der CDU-Chefin in vielen Bereichen inhaltlich nahe. Merkel hat beispielsweise den von den Sozialdemokraten geforderten Mindestlohn mitgetragen und sich immerhin halbherzig zur Energiewende bekannt, dem Herzensanliegen der Grünen.
Die Konservativen sind mögliche Koalitionspartner von SPD und Grünen und werden deswegen im anstehenden Wahlkampf nicht ihre Hauptgegner sein. Es zeichnet sich vielmehr ab, dass die AfD sowie weitere rechte Bewegungen in Europa und in den USA diese Rolle einnehmen werden. Erwartbar ist ein Wettbewerb der etablierten Parteien darum, wer sich am besten als Wahrer von Stabilität in unsicheren Zeiten inszenieren kann.
Merkel und die AfD haben kein Interesse an einer Zusammenarbeit. Die Vorsitzende der rechten Partei, Frauke Petry, war trotzdem erfreut über die erneute Kandidatur der amtierenden Kanzlerin. Als politische Konkurrentin gehe sie davon aus, dass diese ihrer eigenen Partei nutzen werde, so Petry. Damit dürfte sie richtig liegen. Denn derzeit ist es in rechten Kreisen nicht schwierig, gegen die Kanzlerin zu mobilisieren. Hier wird sie als das personalisierte Böse gesehen. Rechte werfen Merkel vor, sich an den Euro zu klammern und Hunderttausende Flüchtlinge »ins Land geholt« zu haben. Dass die Sachverhalte komplizierter sind, wird in der AfD geflissentlich verschwiegen.
Ein Bewerber der Union, der in der Migrationspolitik weniger moderat als Merkel auftritt, hätte nicht nur die AfD Stimmen kosten, sondern auch dazu beitragen können, dass die Mitte-Links-Parteien enger zusammenrücken. Doch ein solcher Politiker, der sich das Amt des Regierungschefs zugetraut hätte, ist derzeit nicht zu finden. Auch deswegen bleiben die Chancen für eine rot-rot-grüne Koalition eher gering. Anders als noch vor einigen Jahren schließen die Sozialdemokraten eine Zusammenarbeit mit der LINKEN nicht mehr offiziell aus. Diese Konstellation wäre auch ihre einzige Chance, den Kanzler zu stellen. Dafür müssten die drei Parteien aber nicht nur inhaltliche Differenzen überwinden, sondern auch bei den Wählern zulegen. Zudem ist bekannt, dass alle SPD-Minister mit der Zusammenarbeit in der Großen Koalition zufrieden sind. Nach einem Wahlsieg 2017 würde Merkel gerne weiter mit den Sozialdemokraten regieren. Laut aktuellen Umfragen hätte ohnehin kein anderes Bündnis eine Mehrheit.
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