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Eine Hoffnung immerhin

Eberhard Panitz: Eine geheimnisvolle Geschichte als Warnung

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf Seite 183 wird ein Kind geboren, und die »Eiszeit« scheint sich langsam dem Ende zu nähern. Es tropft durchs Dach in die Räume, aber man muss sich hüten, mit dem Wasser in Berührung zu kommen. Über die Betten der Kinder werden Baldachine aus Decken gespannt. Bald wird sich die illustre Menschenschar aus dem Gasthof »Artushof« auf den Weg nach draußen machen, ohne zu wissen, ob dort noch etwas Lebendiges ist. Eine Hoffnung gibt es immerhin.


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* Eberhard Panitz: Eiszeit. Eine unwirkliche Geschichte. Verlag Wiljo Heinen. 215 S., geb., 14 €.


»Eiszeit. Eine unwirkliche Geschichte« - das neue Buch von Eberhard Panitz stützt sich als Neubearbeitung auf ein gleichnamiges von 1982. Ich erinnere mich noch an einstige Lektüre: den eingeschneiten Gasthof im Thüringischen, wo Menschen Rettung suchten, an die Gerüchte von einem Blitz, von einer riesigen Wolke, schwarzem Regen und einem anschließenden plötzlichen Temperaturabfall. 1982: Das war die Zeit der Proteste gegen den NATO-Doppelbeschluss, von dem beide deutsche Staaten unmittelbar betroffen waren. 1985 bot Gorbatschow weitreichende atomare Abrüstung an. 1988 trat tatsächlich der sogenannte INF-Vertrag in Kraft. Nicht zuletzt durch das Vorrücken der NATO und die Installation US-amerikanischer Raketenabwehrsysteme in Polen und Tschechien wurde er allerdings unterlaufen. Bis heute sind die USA nicht bereit, das atomare Waffenlager auf dem Fliegerhorst Büchel aufzulösen, ja wollen es sogar modernisieren.

Das ist nicht geheim, aber auch nicht so öffentlich, dass es zu wirksamen Protesten käme. Eine Fülle von Aufregungen überdeckt das Grundlegende. So funktioniert heute Ideologie. Viele fühlen sich hintergangen, verärgert durch die Ahnung, belogen zu werden, indem etwas vor ihnen verborgen wird.

Vertrauensverlust in die Politik: Auch das kommt im Buch vor, allein schon deshalb, weil es der Logik der Charaktere entspricht, die Eberhard Panitz versammelt hat. Es gibt da nämlich kluge, weit schauende Menschen wie den ehemaligen Minister Maxim und den Arzt Tjudores, die auf Beschwichtigung setzen, weil Panik unter den Anwesenden gefährlich wäre. In kleinem Kreis (der Ich-Erzähler gehört irgendwann auch dazu) suchen sie nach Lösungen. Darin hätte man 1982 einen Protest gegen die hierarchische Struktur der DDR sehen können. »Aber immer noch diese Geheimnistuerei« - die schöne Xenia (natürlich wird dem Ich-Erzähler auch eine Liebesgeschichte geschenkt) ärgert sich darüber. Herrschaftswissen gehört indes zu jeglicher Politik, wird indes umso weniger akzeptiert, wenn man Unfähigkeit und selbstsüchtige Interessen unterstellen muss. Im konkreten Fall jedoch ist Maxim und dem Arzt absolut zu trauen. Vertragen sich bedrohliche Situationen und Basisdemokratie?

Viele Fragen, die einem beim Nachdenken über das Gelesene kommen. Doch erst einmal lebt das Buch vom Mysteriösen. Ich greife nicht zu hoch, wenn ich es meisterhaft nenne, wie Eberhard Panitz uns in eine geheimnisvolle Atmosphäre zieht, wie er die verschiedenen Gestalten in ihren Konflikten vor uns hinstellt. Verdrängen, Angst, Panikreaktionen, Zorn - alles, was da möglich ist an Reaktionen ist zu erleben. Die beiden »Regierenden« wissen: Sie können nicht auf unbegrenzte Zeit im »Artushof« bleiben. Genügend Wein scheint da zu sein, aber das Essen reicht nur für eine begrenzte Zeit.

Wenn das Buch nach 1990 spielt, können auch Ost-West-Konflikte nicht ausgespart bleiben. Der großspurige Herr Anschütz weckt Aversionen unter den Anwesenden, aber der Ich-Erzähler muss seine Meinung von ihm überdenken. Über diesen Ich-Erzähler fügt Eberhard Panitz eine Fülle eigener Reflexionen ein: von der Erinnerung an den Dresdner Bombenhagel bis zu Gedanken über die Art und Weise, wie es zum Anschluss der DDR an die BRD gekommen ist. Trauer über das Scheitern eines gesellschaftlichen Versuchs: »Es hat nicht gereicht, wir waren unserer guten Sache zu sicher.« Bitterkeit auch über die geopolitische Lage, die nach dem Zusammenbruch des sowjetischen Imperiums entstanden ist: »Beinahe schamlos haben wir uns um des lieben Friedens willen preisgegeben.«

Das Buch entstand aus der Sorge, dass die »totale Vernichtungsmaschinerie« einsatzbereit, die »Politik der Gewalt« nicht gebändigt ist. »Es würde schon der Knopfdruck eines Besessenen oder Geistesgestörten in irgendeiner Befehlszentrale genügen …« Ein Text, der aufrütteln will. Aber wie soll das zu politischer Wirkung kommen? Eine Massenbewegung gegen Atomwaffen wäre vonnöten. Diese Geschichte - ein kleiner Schritt …

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