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Überall fliegen Drohnen herum

William Gibson entführt ins 22. Jahrhundert und mischt Science Fiction mit einer Krimihandlung

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 3 Min.

Der mittlerweile fast 70-jährige William Gibson ist zweifelsohne einer der bedeutendsten Science-Fiction-Autoren unserer Zeit. Mit seinem Debüt »Neuromancer« revolutionierte er ausgerechnet im Orwell-Jahr 1984 das Genre, ließ er doch noch vor der Erfindung des Internets seine Figuren in einer hyperkapitalistischen Welt im Cyberspace (der Begriff ist seine Wortschöpfung) agieren und gegen künstliche Intelligenzen ankämpfen.


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* William Gibson: Peripherie. Roman. A. d. Engl. v. Cornelia Holfelder-von der Tann. Tropen Verlag. 624 S., geb., 24.95 €.


Seine Romane in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten drehten sich zwar auch immer wieder um das große Thema Menschen und Technologien, aber sie waren in einer parallelweltlichen Gegenwart oder in einer nahen Zukunft angesiedelt. Mit dem 600-seitigen Roman »Peripherie« legt Gibson nun wieder einen reinen Science-Fiction-Roman vor, der auf zwei verschiedenen Zeitebenen spielt und einen Blick in ebenso faszinierende wie düstere Welten wirft.

»Peripherie« beginnt fast wie ein normaler White-Trash-Roman im ländlichen Amerika. Kriegsveteranen, Junk-Food, prekäre Jobs und Computerspiele bestimmen den Alltag von Flynne Fisher und ihrem Bruder Burton. Wäre da nicht der 3D-Druckershop, in dem Flynne vom Mobiltelefon bis zum Garnelenreis alles Mögliche »fabben« kann, wie es heißt. Überall fliegen Drohnen herum, Techniker reparieren per Interface Gegenstände, die Tausende Kilometer entfernt sind, und regiert werden die USA Mitte des 21. Jahrhunderts von einer Präsidentin namens Felicia Gonzales. Als Flynnes Bruder bei einer Demonstration gegen rechtsradikale Christen verhaftet und für ein paar Tage ins Gefängnis gesteckt wird, übernimmt Flynne für ihn einen Job, um ein Computerspiel zu testen. Ohne es zu wissen, arbeitet sie aber als Bodyguard in einem 70 Jahre in der Zukunft liegenden London und wird dort Zeugin eines brutalen Mordes.

William Gibson kontrastiert das heruntergekommene ländliche Amerika der nahen Zukunft mit einem technologisch hoch entwickelten futuristischen London, wo mittels eines Servers digitale Fenster in die Vergangenheit geöffnet werden können. Diese Welt zu Beginn des 22. Jahrhunderts ist voller Nanoroboter, die in atemberaubender Geschwindigkeit ganze Stadtviertel umbauen. Dienstleistungen werden von Robotern versehen, die meisten Menschen sind kybernetisch verändert und tragen Implantate, um stets vernetzt zu sein.

Doch diese hoch technologisierte Welt entstand in der größten Krise der menschlichen Zivilisation, als während des sogenannten »Jackpots« innerhalb von 40 Jahren 80 Prozent der Menschheit durch eine Kette unzähliger Katastrophen, klimatischer Verschiebungen und Epidemien starb. Die Apokalypse ist bei Gibson kein Ereignis, sondern ein kleinteiliger, alptraumhafter Prozess.

Die taffe Flynne Fisher reist dann per Avatar ins futuristische London, wo sie den Behörden bei der Aufklärung des Mordes helfen soll. Gibsons Romane sind eben auch immer packende Krimis. Aber der Mord ist Teil eines weiter gehenden heftigen und schwer durchschaubaren politischen Machtkampfes.

Durch die Verschaltung der beiden Zeitebenen erlebt aber auch die Vergangenheit die Konsequenzen dieser Ausein-andersetzungen, was sich vor allem durch ökonomische Verschiebungen bemerkbar macht und kurzfristig sogar einen Börsencrash verursacht.

William Gibson weiß diese Geschichte aber nicht nur spannend zu inszenieren. Seine besondere Fähigkeit liegt darin, fiktionale zukünftige Welten ästhetisch und sprachlich inklusive eines eigenen Vokabulars entstehen zu lassen. Und das gelingt ihm in diesem Roman wieder einmal auf faszinierende Weise, auch wenn es für den Leser am Anfang durchaus ein Stück Arbeit ist, sich in diese Sprache voller fremdartiger Begriffe aus der Zukunft hineinzufinden.

Aber es lohnt sich, denn der Roman entwickelt einen unglaublichen Sog. Für Gibson-Fans ist »Peripherie« sowieso Pflichtlektüre, aber auch für Menschen, die Science Fiction sonst skeptisch gegenüber stehen, könnte sich dieser Roman als großartige Lektüre erweisen.

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