Wem gehört »Camp Nikolaus«?

Der BND-Umzug wirft die Frage nach dem rechtmäßigem Besitzer des Pullacher Areals auf

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Vom Umzug des Bundesnachrichtendienstes von Pullach bei München nach Berlin, der im kommenden Jahr vollzogen sein soll, wird viel geredet. Kein Wunder, alles in allem kostet die Verlegung des Hauptquartiers von der Isar an die Spree rund 17 Milliarden Euro. Doch was wird mit dem alten Pullacher Areal? Es ist mit 70 Hektar fast so groß wie der Münchner Olympiapark. Und die Lage am Rande von München macht es zu einem Filetstück. Die Immobilienbranche hat da diverse Ideen. Auch die Gemeinde, die von einer Grünen-Bürgermeisterin geleitet wird, hat sicher nicht von ungefähr ein Planungsteam beauftragt, »städtebauliche, wirtschaftliche und soziale Defizite und Potenziale zu erheben und zu bewerten«. Dabei ist man sich schon klar darüber, dass es erstens noch Jahre dauern wird, bis der Geheimdienst wirklich erste Flächen freigeben wird. Zweitens hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) ein gewichtiges Wort mitzureden. Die Behörde hatte das Gelände 2009 als Sachwalter des Bundes übernommen, um nach dem Wegzug der Geheimen möglichst viel aus dem Gelände herausschlagen zu können.

So der Bund wirklich Eigentümer ist. Ein Mann namens Karl Nikolaus Köhler stellt genau das infrage. Er ist der Großneffe von Margarethe Pauckner und macht da weiter, wo seine Großtante nicht weitergekommen ist. Nach dem Ende des Krieges hatte sie darum gekämpft, dass ihr Eigentum rückübertragen wird. Die »Tagesschau« berichtet davon, wie sie Grundstückspläne suchte und angeblich verbrannte Grundbuchauszüge fand, wie sie Lagepläne studierte und Gesetze zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht durchforstete. Sie wollte das Land zurück, dass sie 1934 und 1936 an Hitlers willigen Paladin Martin Bormann, zuletzt Chef der NSDAP-Kanzlei, verkauft hatte.

Margarethe Pauckner hat immer behauptet, dass sie nur unter Zwang verkauft habe. Im Falle einer Weigerung hätten die Nazis sie enteignet. Sie zeigte einen Brief von Bormann vor, in der er androht, alle ihm »nur möglichen Maßnahmen gegen Sie zu ergreifen«.

Nach Bormanns Vorgaben und nach den Plänen des Architekten Roderich Fick war zwischen 1936 und 1938 die Rudolf-Hess-Siedlung als Wohnanlage für Mitarbeiter der Parteikanzlei der NSDAP errichtet worden. Später wurde sie dann um das »Führerhauptquartier Siegfried« erweitert.

Verkauft ist verkauft. Nicht ganz. Denn im Grundbuch stand immer nur Bormann und der ist 1945 in Berlin umgekommen. Bereits 1947 hatte der Treuhänder über Bormanns Vermögen amtlich vermerkt, dass der Verkauf des Areals unter Zwang und unter Wert stattgefunden habe. Er wies auf Rückgabeansprüche der Vorbesitzer hin. Doch das störte den Freistaat Bayern nicht. Wie auch? Die Amerikaner suchten ein abgeschiedenes Unterkommen für die Organisation Gehlen. Der Geheimdienst, aus dem 1956 der Bundesnachrichtendienst hervorging, bezog die Siedlung 1947 und gab ihr zunächst den Codenamen »Camp Nikolaus«. In den 1960er Jahren verkaufte Bayern das Gebiet für 20 Millionen D-Mark an die Bundesrepublik Deutschland. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste das Kanzleramt, dass der BND juristisch auf unsicherem Terrain siedelte.

Großneffe Köhler hat nun Klage eingereicht. Nun werden wohl Richter darüber entscheiden müssen, ob der Staat - wie an so vielen anderen Stellen auch - vom Nazi-Unrecht profitieren darf.

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