Weihnachtlich bis 7. Januar

2016 haben russische Touristen nur halb so viel Geld in Dresden gelassen wie noch 2015

  • Christiane Raatz, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Liebe geht durch den Magen: In einem Hotel in Moskaus Altstadt kocht der Dresdner Sternekoch Benjamin Biedlingmaier ein Vier-Gänge-Menü, dazu gibt es sächsischen Wein. Kulinarisch will Sachsen an diesem Abend punkten - und nebenbei für einen Besuch im Freistaat werben. Acht der zehn wichtigsten russischen Reiseveranstalter sind an diesem Abend vertreten, dazu Journalisten von Reisemagazinen aus dem Land. Alla Belikova von der Deutschen Zentrale für Tourismus in Moskau ist begeistert. »Eine gelungene Veranstaltung, die neugierig auf Sachsen macht«, findet sie.

Auch wenn Sanktionen die Beziehung zwischen Deutschland und Russland trüben und der Verfall des Rubels eine Reise ins Ausland für viele Russen unerschwinglich macht: Die Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen (TMGS) wirbt in Moskau weiterhin. »Wir stehen wie kaum ein anderes Bundesland auch in dieser schwierigen Situation zum Quellmarkt Russland«, erklärt TMGS-Geschäftsführer Hans-Jürgen Goller. Er hofft auf bessere Zeiten.

Bei den Übernachtungen aus Russland büßte Sachsen im Vorjahr mehr als 22 Prozent ein. In den ersten sechs Monaten 2016 gingen die Übernachtungen erneut um knapp 21 Prozent auf rund 29 100 zurück.

Das bekommt vor allem auch Dresden zu spüren, wohin es bis vor zwei Jahren noch viele Russen aus Moskau und Sankt Petersburg zum Shoppen zog. Die zahlungskräftige Klientel kaufte vor allem für das Jolkafest am 31. Dezember oder Weihnachten, das in Russland erst am 7. Januar gefeiert wird. Sondermaschinen landeten in der sächsischen Landeshauptstadt, die großen Einkaufszentren warben mit Väterchen Frost oder Snegurotschka und russischsprachigen Mitarbeitern um die zahlungskräftige Klientel.

Und in diesem Jahr? »Direkte, einzelne Aktionen planen wir nicht«, sagt Centermanagerin Nadine Strauß von der Dresdner Altmarktgalerie. Dafür bleibt aber die bunt-glitzernde Weihnachtsdeko bis zum 7. Januar, damit Besucher aus Russland noch etwas »Weihnachtsgefühl« mitnehmen können. Ob mit russischer Facebook-Seite, Russisch sprechender Stilberaterin oder Flyern: »Wir sind auf jeden Fall auf russische Kunden eingestellt«, sagt Strauß. Der Markt bleibt wichtig - auch wenn die Russen heute mehr auf den Preis achten als noch vor zwei Jahren.

In der Tat haben russische Touristen in diesem Jahr bisher laut Finanzdienstleister Global Blue nur in etwa halb so viel Geld in Dresden gelassen als noch im Jahr 2015. Bei dem Unternehmen können sich Nicht-EU-Bürger die Mehrwertsteuer für ihre Einkäufe in Deutschland zurückholen - und darüber führt Global Blue Statistiken.

Dennoch hofft Hans-Jürgen Goller auf mehr Besucher aus Russland. »Für den bevorstehenden Jahreswechsel rechnen wir mit etwas besseren Zahlen als beim Jahreswechsel 2015 auf 2016«, sagt er. Auch die Chefin der Dresden Marketing GmbH, Bettina Bunge, gibt sich vorsichtig optimistisch: Zwar gehen die Zahlen immer noch zurück, allerdings nicht mehr so stark: Verbuchte Dresden von Januar bis August 2015 noch 28,7 Prozent weniger Übernachtungen aus Russland, lag das Minus in den ersten acht Monaten dieses Jahres bei 18 Prozent.

»Wir sind überzeugt, dass unsere russischen Gäste uns bald wieder besuchen, sobald sich die wirtschaftlichen Verhältnisse normalisieren«, so Bunge. Die Russen schätzten Dresden als Shopping- und Kulturstadt. »Ob es ihnen die aktuelle wirtschaftliche Situation im eigenen Land aktuell erlaubt, nach Dresden zu reisen, bleibt abzuwarten.« Die Elbestadt sei aber in jedem Fall bestens gerüstet.

Der Flughafen Dresden rechnet - zusätzlich zur täglichen Linienverbindung Moskau-Dresden von Aeroflot wieder mit drei Sonderflügen aus Moskau zum Jahreswechsel. Trotz der Wirtschaftssanktionen und eines generell schwierigen Marktumfeldes behauptet sich die tägliche Aeroflot-Verbindung aus und nach Moskau, sagt Flughafensprecher Christian Adler. dpa/nd

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