Hoffen auf eine vorzeitige verspätete BER-Inbetriebnahme?
Der Bau des künftigen Hauptstadtflughafens nähert sich der Fertigstellung - das setzt den Aufsichtsrat unter zusätzlichen Erwartungsdruck
Flughafenchef Karsten Mühlenfeld, seit anderthalb Jahren im Amt, hat immerhin den Eindruck aus der Welt geschafft, dass sich am neuen Berliner Flughafen BER rein gar nichts bewege. Viereinhalb Jahre nach der geplatzten Eröffnung des fluchbeladenen wichtigsten Infrastrukturprojekts der Region Berlin-Brandenburg hat der erfahrene Ingenieur das von seinen Vorgängern übernommene Chaos entwirrt und die Arbeiten in geordnete Bahnen geleitet. Dabei ist ihm klar geworden, wie heikel es ist, sich frühzeitig auf einen neuen Eröffnungstermin festzulegen - zu groß waren bislang die Risiken, dass Rückschläge im komplizierten Genehmigungsverfahren alle Planungen zu Makulatur machen.
Einen konkreten Termin will der Flughafenchef, wie bei der Aufsichtsratssitzung im Oktober angekündigt, erst im Januar 2017 nennen. Immerhin ist Mühlenfeld bisher nicht davon abgerückt, dass noch immer die Chance bestehe, den BER »Ende 2017« in Betrieb zu nehmen. Zugleich hatte er sich die Option offengehalten, den Airport etwa bei entsprechender Interessenlage seitens der Fluggesellschaften erst im Frühjahr 2018 zu eröffnen. Das aber ließe die Verspätung, mit der Berlin einen modernen, leistungs- und ausbaufähigen Flughafen erhielte, auf volle sechs Jahre anwachsen.
Der Zeitdruck, der auf den Verantwortlichen lastet, ist riesengroß. Denn nicht nur die zusätzlichen Kosten, die die Riesenbaustelle mit jedem weiteren Tag produziert, wachsen ins Unermessliche - die Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld haben ihre Kapazitätsgrenzen ausgereizt. »Erstmals werden in einem Jahr über 30 Millionen Passagiere von und nach Berlin fliegen«, teilte Karsten Mühlenfeld in seinem soeben versandten »Politikbrief November 2016« mit. Und er fügte an: »Höchste Zeit also, dass der BER eröffnet.«
Dabei sieht sich der Flughafenchef auf dem richtigen Weg. Man sei mit der Genehmigung des 5. Nachtrags und der Einreichung des angepassten 6. Nachtrags zur Baugenehmigung einen großen Schritt weitergekommen, versicherte er. »Allerdings: Um einen Eröffnungstermin einigermaßen sicher nennen zu können, benötigen wir die Genehmigung des 6. Nachtrags, die Baufertigstellung des Gebäudes, die erste Wirkprinzipprüfung für das Main Pier Nord und eine Strategie für eine vorzeitige Inbetriebnahme, um das Testprogramm am Flughafen (ORAT) durchzuführen.« Dabei meinte Mühlenfeld ausdrücklich nicht eine vorzeitige oder schrittweise Inbetriebnahme des gesamten Flughafens, wie auch sein Sprecher Lars Wagner dem »nd« bestätigte, vielmehr handle es sich um ein vorgeschriebenes Procedere.
»Aber auch ohne festes Datum für die Eröffnung arbeiten wir mit voller Konzentration an der Fertigstellung der Bauarbeiten, der technischen Inbetriebnahme aller Systeme, aber auch an dem Thema operative Inbetriebnahme und Umzug«, stellte Karsten Mühlenfeld klar. Der 6. und letzte Nachtrag, der wegen der vielen darin zusammengefassten kleineren Einzelthemen gerne als »Lumpensammler« bezeichnet wird, lässt keine größeren Probleme mehr erwarten. Er rechne »nach derzeitigem Erkenntnisstand« im Januar 2017 mit seiner Genehmigung. Letzte Arbeiten im Fluggastterminal (FGT) will Mühlenfeld im Dezember 2016 abschließen. »Die Funktions- und Integrationstests der Entrauchung im Main Pier Nord wurden termingerecht gestartet. Die Prozesse der Technischen Inbetriebnahme im Main Pier Süd und FGT Mitte liegen im Zeitplan.«
Bis der Airport BER am Ende in Betrieb geht, werden die Flughäfen in Tegel und Schönefeld - wie berichtet - mit großem Aufwand auf der Höhe ihrer Aufgaben gehalten. Doch während in Tegel nach bisherigem Stand 2018 die Lichter ausgehen, sind die Tage des alten DDR-Flughafens noch lange nicht gezählt. Er wird gebraucht, weil der BER auf unabsehbare Zeit zu knapp bemessen ist.
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