Politik will der Bahn Beine machen
Deutsch-polnischer Gipfel beschließt Schritte zur Verbesserung des Bahnverkehrsangebots
Es ist kein Geheimnis, dass es deutlich besser laufen könnte im Eisenbahnverkehr zwischen Deutschland und Polen. Am Mittwoch nahmen Vertreter beider Länder bei einem hochrangigen Treffen in Szczecin in der polnischen Wojewodschaft Westpommern einen weiteren Anlauf, um die Situation im grenzüberschreitenden Schienenverkehr zu verbessern.
Insbesondere zwischen der Region Berlin-Brandenburg und den Wirtschafts- und Kulturzentren jenseits von Oder und Neiße verkehren zu wenige Züge im täglichen Verkehr, die Takte sind zu lang, die Verbindungen zum Teil umständlich und die Fahrzeiten auf den Strecken bisweilen noch immer länger als vor 75 Jahren. Leidtragende sind neben Touristen und Geschäftsreisenden vor allem die zahlreichen Pendler, die jeden Tag zwischen Szczecin, Gorzow, Zielona Gora und Wrocław sowie Berlin unterwegs sind.
Zu den vielfältigen Gründen dieser unbefriedigenden Verhältnisse, die sich nach dem Ende der DDR sogar verschlimmert hat, zählen eingleisige und damit nur eingeschränkt durchlassfähige Streckenabschnitte und das Fehlen einer durchgängigen Elektrifizierung. Lange Zeit hatten auch rechtliche Probleme die Zusammenarbeit der Eisenbahnunternehmen beider Seiten beim Ausbau und der Modernisierung der Infrastruktur und des Fahrzeugparks erschwert. Seit Jahren fordern Unternehmen, die Tourismusbranche, Wirtschafts- und Fahrgastverbände mit Nachdruck von der Politik Maßnahmen, um das Niveau des schienengebundenen Personen- aber auch Güterverkehrs zwischen beiden Nachbarländern grundlegend anzuheben.
Aus diesem Anlass waren beim zweiten deutsch-polnischen Bahngipfel Verkehrspolitiker des Bundes, der polnischen Regierung sowie der Länder und Wojewodschaften zusammengekommen. Brandenburg wurde unter anderem durch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vertreten, der zugleich Polen-Koordinator der Bundesregierung ist und mit dem Deutschland-Koordinator der polnischen Regierung, Jakub Skiba, das Treffen initiiert hatte. Mit dabei waren Brandenburgs Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) sowie die Vorstandschefs der Deutschen und der Polnischen Bahn, Rüdiger Grube und Mirosław Pawłowski. Der erste Bahngipfel hatte im September 2015 stattgefunden.
Themenschwerpunkte waren der Ausbau die Strecken Dresden/Berlin und Wrocław, Berlin-Szczecin und Berlin-Kostrzyn. Zwischen Berlin und Szczecin soll die Trasse bis 2020 zweigleisig ausgebaut und durchgängig mit Oberleitungen ausgestattet werden. Die Fahrzeit soll so von derzeit zwei Stunden auf 80 Minuten sinken. Dazu erklärte Woidke vor Ort: »Der ständig wachsende Verkehr und die gute Auslastung der Verbindung zwischen beiden großen Metropolen macht den Ausbau dringend erforderlich - und zwar zweigleisig.«
Der Bund plant bisher nur den eingleisigen elektrifizierten Ausbau, der Geschwindigkeiten bis Tempo 160 erlaubt. Am Mittwoch konnten Bund und Bahn noch keine Fertigstellungstermine nennen. Ein zweites Gleis machen Bund und Bahn von der Verkehrsentwicklung abhängig.
Für die Strecke Berlin-Gorzow ist der Neubau einer Brücke über die Oder bei Küstrin notwendig. Die Planungen dazu liefen bereits, hieß es.
Auf der Linie nach Wrocław, das 2016 Europäische Kulturhauptstadt ist, verkehrt der zunächst auf Mai bis September begrenzt eingesetzte und dann bis zum 8. Januar 2017 verlängerte »Kulturzug«. Der Sonderzug ist ein echter Imageträger. Gemeinsam mit Berlins Verkehrssenator Andreas Geisel (SPD) kündigte Woid᠆ke nunmehr an, dass der »Kulturzug« auch in den kommenden Jahren Bestand haben wird. Er wird an den Wochenenden von bis zu 1000 Personen genutzt. Dazu verständigten sich die Länder Brandenburg und Berlin sowie die Deutsche Bahn auf eine gemeinsame Übernahme der Kosten in Höhe von insgesamt 300 000 Euro jährlich.
Ministerin Schneider erklärte in Szczecin: »Wir sind seit dem Bahngipfel vor einem Jahr ein Stück voran gekommen. Auf den Linien nach Kostrzyn, Gorzow und Zielona Gora haben wir in diesem Jahr mehr Verbindungen geschaffen. Künftig brauchen wir mehr stabile grenzüberschreitende Verbindungen im Bahnverkehr. Dazu ist es wichtig, dass wir zu besserer Planungssicherheit auf allen Seiten kommen. Und es ist dringend erforderlich, dass die Fahrzeughersteller Züge herstellen, die auf beiden Systemen fahren können.«
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