Europa drohen weitere Wahlsiege der radikalen Rechten
In vielen Staaten haben die etablierten Parteien bereits Teile der rechtspopulistischen Programmatik umgesetzt
Entwarnung: Marine Le Pen wird nicht nächste Präsidentin Frankreichs. Im ersten Wahlgang schlägt der konservative Kandidat François Fillon Le Pen mit 32 zu 22 Prozent, in der Stichwahl gewinnt er mit satten 71 Prozent. So vermeldet es zumindest das französische Meinungsforschungsinstitut Odexa am Tag nach dem Vorwahlsieg von Fillon bei den französischen Konservativen. Gut drei Wochen nach dem Prognose-Desaster bei den US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen, bei denen nahezu alle Institute einen Sieg von Donald Trump ausgeschlossen hatten, wird in Frankreich schon wieder Entwarnung bezüglich eines Wahlsieges der radikalen Rechten gegeben.
Während in Österreich am Sonntag endlich Klarheit herrschen sollte, ob sich der aufhaltsame Aufstieg der radikalen Rechten weiter fortsetzt, stehen auch im nächsten Jahr eine Reihe von Wahlen an (Niederlande, Frankreich, Norwegen, Deutschland), die die politischen Verhältnisse in Europa weiter nach Rechts rücken könnten. Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich nehmen dabei ohne Zweifel den prominentesten Platz ein, denn tatsächlich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand ausschließen, ob das nach Deutschland bevölkerungsreichste Land Europas ab dem Sommer 2017 nicht von einer Präsidentin Marine Le Pen regiert wird. Die Folgen eines solchen Ergebnisses wären unabsehbar und würden der taumelnden EU einen Schlag versetzen, von dem sie sich womöglich nicht mehr erholen könnte. Brexit und Trump-Wahl zeigen, dass auch das Unvorstellbare inzwischen in den Bereich des real Möglichen gerutscht ist.
Die Erfolgsgeschichte einer häufig als populistisch beschriebenen radikalen europäischen Rechten lässt sich spätestens seit dem Ende der 1990er Jahre und dem Aufstieg der FPÖ zur Regierungspartei in Österreich beobachten. Parallel zum Siegeszug des Neoliberalismus in Europa hat diese Rechte Geländegewinne erzielt, die sie in vielen Ländern bis vor die Toren der Macht gebracht hat - manchmal auch ein Stück weiter. Neben der FPÖ waren und sind es der Front National, die Lega Nord in Italien, die Niederländische Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders, die Dänische Volkspartei und in jüngerer Zeit die britische UKIP sowie die deutsche AfD, die das Bild dieser Rechten prägen. Bei allen länderspezifischen Unterschieden sind Gemeinsamkeiten vor allem dort zu finden, wo es um die Ablehnung von Zuwanderung und die Rückholung von Souveränitätsrechten auf die nationale Ebene geht. Hinzu kommt eine immer stärkere Abwendung vom etablierten politischen Betrieb und eine zunehmende Verachtung gegenüber den als Globalisierungsgewinnern beschriebenen Eliten.
Ohne Zweifel ist die Regierungsoption für Parteien der radikalen Rechten, wie sie sich mit dem Trump-Sieg, dem Brexit und womöglich dem Erfolg der FPÖ am Sonntag abzeichnet, noch einmal ein Qualitätssprung. Die Entwicklungen in Polen und Ungarn sind, bei aller Unterschiedlichkeit, dafür beredte Beispiele. Doch auch unterhalb der realen Regierungsübernahme bestimmen die Rechtspopulisten seit Jahren das politische Klima in zahlreichen europäischen Ländern. Die rassistischen und auf Ausgrenzung gerichteten Volksabstimmungen, die von der SVP regelmäßig in der Schweiz organisiert werden, stehen dafür genauso wie antimuslimische Kampagnen eines Geert Wilders in den Niederlanden oder die rassistischen Ausfälle von AfD-Politiker_innen in Deutschland. Die Auswirkungen sind in den meisten dieser Länder seit Jahre zu beobachten: Verschärfung der Zuwanderungsregelungen, Renationalisierungstendenzen, Zunahme von Ausgrenzung und Gewalt gegen Migrant_innen.
Geert Wilders, dessen PVV laut Umfragen bei den Wahlen im März stärkste Partei werden könnte, fordert die Schließung aller Moscheen und islamischen Schulen und ein Verbot des Korans. Marine Le Pen will Frankreich aus der EU führen und die Zuwanderung massiv begrenzen. Ein Blick auf den Umgang der herrschenden Politik zeigt, dass die Rechte die Verhältnisse auch jetzt schon massiv in ihre Richtung verändert. Um die Rechtsaußenparteien klein zu halten, werden ihre Forderungen zum Teil übernommen.
Und die Linke? Wenn in Frankreich die Hoffnungen zur Verhinderung von Marine Le Pen auf einem neoliberalen Hardliner liegen, dessen Rezepte den Aufstieg der Rechten seit 20 Jahren befördert haben, dann sieht es offenkundig düster aus.
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