Alles andere als ein großer Wurf
DGB und Sozialverbände sehen die Rentenpläne von Arbeitsministerin Andrea Nahles skeptisch
Einige Schritte in die richtige Richtung, aber alles andere als ein »großer Wurf«. So sieht das »Netzwerk gerechte Rente« aus DGB und Sozialverbänden das dieser Tage von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) vorgelegte Rentenkonzept.
Mit dem Konzept sei zwar »Bewegung in die Diskussion gekommen«, doch von der viele Jahrzehnte geltenden weitgehenden Garantie einer armutsfesten Alterssicherung sei man »noch sehr weit entfernt«, so Annelie Buntenbach vom geschäftsführenden DGB-Bundesvorstand: Statt, wie Nahles, eine weitere Senkung des Rentenniveaus nur abzuschwächen, wäre dessen Stabilisierung bei 48 Prozent des durchschnittlichen Bruttos »das Mindeste gewesen«, verbunden mit einer Perspektive auf 50 Prozent. Zudem sei bislang noch kein klares Konzept für die Aufstockung von Minirenten langjährig Versicherter auf ein Niveau oberhalb der staatlichen Grundsicherung erkennbar.
Eine armutsfeste Mindestabsicherung ist besonders für die Sozialverbände ein zentrales Anliegen. Unabhängig von den Möglichkeiten zur Aufwertung von Kleinrenten gehöre auch die staatliche Grundsicherung auf den Prüfstand, so Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband. Diese an die Hartz-IV-Regelsätze gekoppelte Leistung sei nicht bedarfsgerecht, zumal deren Empfänger - anders als die Bezieher von ALG II - keine Aussicht auf die Verbesserung ihrer Einkommenslage hätten und alle Ersparnisse auf die Grundsicherung angerechnet würden. Zudem würden altersspezifische Mehrbedarfe, etwa für Eigenleistungen bei Medikamenten, nicht berücksichtigt.
Für den Präsidenten der Volkssolidarität, Wolfram Friedersdorff, wäre vor allem die Entfristung der Rentenaufstockung nach Mindestentgeltpunkten einer der Schlüssel für die Vermeidung von Altersarmut. Mit diesem Instrument werden Rentenansprüche von Geringverdienern um maximal das anderthalbfache aufgewertet. Das gilt allerdings nur für Erwerbseinkünfte, die bis 1992 erzielt wurden. Gerade für viele Frauen, die in ihrem Arbeitsleben oft überwiegend oder ausschließlich teilzeitbeschäftigt waren, könnte durch eine Entfristung dieser Regelung Altersarmut vermieden werden, so Friedersdorff.
Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbands VdK, zeigte sich am Donnerstag enttäuscht von den von Nahles präsentierten Vorschlägen für die Neuordnung der Erwerbsminderungsrenten, die mittlerweile 20 Prozent aller Neurentner ausmachen. Zwar solle es für künftige Betroffene Verbesserungen bei der Berechnung und bei den Zugangsvoraussetzungen geben, aber die erwerbsgeminderten Bestandsrentner, insgesamt knapp 1,8 Millionen Menschen, gingen »komplett leer aus«. Dies sei »sozialpolitisch vollkommen unakzeptabel«, so Mascher.
Skeptisch äußerte sich Buntenbach auf die Frage nach der Übertragbarkeit des österreichischen Modells der Alterssicherung. Dort hat jeder Beitragszahler nach 15 Versicherungsjahren einen Anspruch auf eine monatliche Mindestrente von rund 1000 Euro. Bei 30 Versicherungsjahren erhöht sich dieser Betrag auf 1260 Euro.
Die Rentenversicherung habe im Nachbarland eine vollkommen andere Struktur, da alle Erwerbstätigen einbezogen werden. Zudem gebe es einen variablen Bundeszuschuss zur Deckung der Ausgaben der Versicherung sowie höhere Beiträge für Arbeitgeber. Dies alles sei in Österreich gesellschaftlicher Konsens »und davon kann in Deutschland derzeit keine Rede sein.«
Man werde sich die Pläne von Nahles zur Vermeidung von Altersarmut jetzt »genauer ansehen« und sich gemeinsam mit den Sozialverbänden mit eigenen Vorschlägen gerade im kommenden Wahlkampf »massiv« in die Debatte um eine gerechte Alterssicherung einmischen, kündigte Buntenbach an.
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