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Befriedung ist die Hoffnung
Die Provinz Süd-Kivu im Osten Kongos hat gute Entwicklungschancen - wenn es friedlich bleibt
Sind aller schlechten Dinge drei? Formell gilt die Demokratische Republik Kongo nach drei Kriegen binnen zwanzig Jahren als befriedet. Doch dass die Abwesenheit von Krieg nicht Frieden bedeutet, zeigt sich heute in der DR Kongo einmal mehr. Süd-Kivu ist eine Provinz im Osten. Sie wurde 1969 im Zuge der Aufteilung der ehemaligen Provinz Kivu gegründet. Traurige Bekanntheit erreichte die Region im dritten Kongokrieg von 2006 bis 2009. Sie gehörte zu den Regionen, die am schwersten von den Kriegshandlungen betroffen waren. Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere sexuelle Gewalt gegen Frauen, wurden dabei gezielt eingesetzt.
Besonders wirtschaftliche und strategische Interessen nährten den Konflikt in Kivu. Reiche Rohstoffvorkommen wie Erdöl, Gold oder Coltan, das für nahezu jedes elektronische Gerät verwendet wird, werden hier abgebaut. In Kivu lagern laut Schätzungen 80 Prozent der weltweiten Coltanvorkommen. Als es in den 90er Jahren immer begehrter wurde, nahmen auch die Konflikte zu.
Ausgangspunkt für die vielen Unruhen im Land ist die koloniale Ausbeutung und das Regime des Diktators Mobutu. Nach seinem Sturz 1997 entstand ein bis heute existierendes Machtvakuum, auch wenn seit 2001 in der Hauptstadt Kinshasa mit Joseph Kabila derselbe Präsident amtiert. Die eigentlich für 2016 anstehenden Neuwahlen wurden von Kabila auf die lange Bank geschoben, um seine am 19. Dezember ablaufende letzte verfassungsgemäße Amtszeit zu strecken.
Vom Wirtschaftswachstum durch die starke Ausbeutung kongolesischer Bodenschätze kommt bei der Bevölkerung so gut wie nichts an. Die staatlichen Strukturen sind eher durch Vetternwirtschaft und Korruption geprägt als durch den Willen zur Umverteilung. Rebellengruppen konnten regional an Macht gewinnen und sich die Erlöse aus den Bodenschätzen einverleiben.
In Ostkongo ist die Teilnahme an kriegerischen Auseinandersetzungen oft die einzige Möglichkeit der Menschen, wirtschaftlich zu überleben. Naum Butoto, Direktor von UGEAFI, eine Organisation, die sich seit Jahren erfolgreich für die sozio-ökonomische Entwicklung in der Region einsetzt, erzählt: »Die Kriege in unseren heutigen Projektregionen hatten schlimme Auswirkung auf unseren Alltag. Not und Armut verschlimmerten sich, da 80 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben. Mangelnde Einkommensmöglichkeiten, fehlende Bildung und Gesundheitsversorgung sowie die Zwangsrekrutierung von Jugendlichen bewirkten eine große Fluchtbewegung.«
Der dritte Kongokrieg, welcher hauptsächlich in den östlichen Regionen Kivu und Ituri ausgetragen wurde, entstand in direkter Folge des zweiten Kongokrieges. Anders als in den vorherigen Konflikten, ging es hier nicht um die Macht an der Staatsspitze, sondern um das Zusammenleben konkurrierender lokaler Gruppen. Auch nach 2009 konnten, trotz einiger Siege gegen Rebellengruppen, die Ostprovinzen nicht vollständig befriedet werden, so dass bewaffnete Gruppen noch immer in den Provinzen operieren.
Durch die jahrelangen Konflikte sind die Erwerbs- und Ernährungsmöglichkeiten im Land sehr begrenzt, da staatliche Strukturen noch nicht wieder aufgebaut sind. Auch Straßen, Wasser- und Stromversorgung sind kaum ausreichend ausgebaut. Nichtregierungsorganisationen und internationale Entwicklungszusammenarbeit leisten hier einen wichtigen Beitrag, um die fehlenden Strukturen für eine ausreichende Gesundheitsversorgung und Bildung zu kompensieren. »Die Unterstützung verschiedener Nichtregierungsorganisationen kurbelt auch die Wirtschaft an, seitdem die Region nicht mehr so stark umkämpft ist«, zeigt sich der Direktor von UGEAFI optimistisch.
Trotz aller Konflikte hat das Land also eine echte Chance. Experten sehen in den wertvollen Bodenschätzen, der fruchtbaren Erde und den Regenwäldern mit ihrer Biodiversität gute Voraussetzungen für die Entwicklung des Landes. Vor allem müsse aber neben dem Frieden und staatlichen Strukturen auch der Gedanke der Nachhaltigkeit Einzug halten, um das vorhandene Potenzial nutzen zu können. Insbesondere in den östlichen Gebieten müsse die Ernährungssicherheit und die Verbesserung der Lebensbedingungen gewährleistet werden.
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