Rohingya fliehen aus Myanmar

Fortgesetzte und systematische Vertreibung Zehntausender ins Nachbarland Bangladesch

  • Gilbert Kolonko
  • Lesedauer: 4 Min.

Wegen der Vertreibung Zehntausender muslemischer Rohingya aus dem Nordwesten Myanmars gerät Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, faktische politische Führerin des Landes, international zunehmend unter Druck. So demonstrierten am Sonntag in Malaysias Hautpstadt Kuala Lumpur 10 000 Demonstranten gegen den Umgang Myanmars mit der muslimischen Minderheit. Jeden Tag berichten Grenzpatrouillen der Armee von Bangladesch von aufgegriffenen Rohingya, die per Boot über den Karnaphuli Fluss flüchten.

Seit etwa 30 Jahren wird die vorwiegend muslimisch geprägte Minderheit der Rohingya systematisch aus Myanmar vertrieben. 30 000 sollen es allein seit Anfang Oktober sein. Angriffe von »Aufständischen« im gleichen Monat auf drei Grenzposten, bei denen neun Polizisten von Myanmar starben, hat die Armee zum Anlass für eine umfangreiche Operation in der nordwestlichen Provinz Rakhine genommen. Nach ihren Angaben wurden dabei bisher 70 »Terroristen« getötet. Flüchtlinge sprechen jedoch von Massakern, Vergewaltigungen und der Zerstörung von Dörfern der Rohingya. Unabhängige Stimmen gibt es nicht, das Militär Myanmars verwehrt Berichterstattern den Zugang zur Region.

Aung San Suu Kyi ließ durch ihren politischen Strohmann, Präsident Hting Kyav, die Armeeversion wiederholen und schweigt. Dass sie großen Einfluss auf die Generäle ihres Landes hat, darf ohnehin bezweifelt werden. Schon im Jahre 2012 war es zu gewalttätigen Übergriffen auf die ethnische Gruppe der Rohingya gekommen, nicht nur durch Militärs, sondern auch durch nationalistische buddhistische Mönche. Allein in Bangladesch leben mittlerweile neben 30 000 registrierten Flüchtlingen in zwei Camps nahe der südlichen Ortschaft Cox Basar in der Region Chittagong mindestens 300 000 nicht registrierte Rohingya. Die Regierung Bangladeschs befindet sich in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite fordern die Religiösen des Landes, ihren muslimischen Glaubensbrüdern uneingeschränkt Asyl zu gewähren, anderseits wird der Unmut der Bevölkerung Chittagongs immer größer.

Die Region hat neben der Versalzung der Flüsse und des Grundwassers durch den steigenden Meeresspiegel genug andere Probleme. Dazu gibt auch immer wieder Anzeichen, dass heimische Islamisten die Not der Geflüchteten ausnutzen und mit finanziellen Anreizen eifrig unter ihnen rekrutieren. So schicken die Grenztruppen Bangladeschs mittlerweile immer wieder Bootsflüchtlinge zurück, drücken anderseits oft ein Auge zu oder halten die Hand auf, wie geflüchtete Rohingya berichten. Zudem befürchtet man in Bangladesch, dass die Regierung Myanmars auch noch die letzten der Million Rohingya aus dem Land treibt, wenn sie die Flüchtlinge zu bereitwillig aufnimmt.

Der Dalai Lama und andere führende Buddhisten haben die Bevölkerung Myanmars schon mehrfach gemahnt, dass Gewalt kein Mittel zur Konfliktlösung sei, doch werde ihr Einfluss allgemein überschätzt, wie der Tibetologe Thierry Dodin darstellt: »Der Buddhismus ist eine ziemlich anarchische Religion. Klöster genießen hohe Autonomie. Es gibt kaum übergreifende Organisationen und wenn, dann haben sie keine wirkliche Macht, sind untereinander uneins … Es gibt keine von allen akzeptierte Autorität, die über den ganzen Sangha herrscht und verbindliche Regeln aufstellen und Weisungen geben könnte. Der Dalai Lama z.B. hat gesagt, dass Töten im Namen der Religion ›undenkbar‹ sei, aber eine solche Aussage hätte viel mehr Kraft, wenn sie von burmesischen Mönchen käme.«

Auch kann man den Konflikt in Myanmar nicht als einen Konflikt zwischen Buddhismus und Islam sehen, obwohl sich beide Religionen in diesem Teil der Erde seit knapp einem Jahrtausend in Konkurrenz gegenüberstehen. In Myanmar haben ebenso die christlich geprägten Bergstämme unter Benachteiligungen zu leiden. Auch im mehrheitlich buddhistisch geprägten Sri Lanka werden Muslime ebenso wie Christen angefeindet. In den 80er Jahren wurden mindestens 100 000 nepalesisch sprechende Hindus aus dem Königreich Bhutan vertrieben. Einem Land dass das Glücklichsein in seiner Verfassung verankert hat.

Wie in Myanmar bei den Rohingya, deren Wurzeln im Land bis tief ins 15. Jahrhundert reichen, waren auch die hinduistisch geprägten Lhotshampa in Bhutan mehrere Jahrhunderte ansässig, bevor sie unter fadenscheinigen Argumenten keine Bürger des Landes zu sein, aus dem Land getrieben wurden. Wie es scheint, können manche Buddhisten, nur unter Ihresgleichen glücklich sein.

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