Schöne alte Medienwelt
Freitags Wochentipp: »Blacktape« von Sékou Neblett über die Ursprünge des deutschen Hip-Hop
Nun ist es also amtlich: Die Olympischen Spiele, vom Gros der Medien konsequent, aber falsch »Olympiade« genannt, die ja nur den vierjährigen Zeitraum zwischen zwei Spielen bezeichnet, werden bis 2024 ausschließlich von Sendern der Discovery-Gruppe gezeigt, hierzulande also neben Pay-TV vor allem: Eurosport. Das ist in der Tat jene Zäsur, die ARD und ZDF nun angemessen lautstark beklagen, ohne in Tränen auszubrechen. Mehr als 150 Millionen Euro für ein paar Häppchen - und das ohne Digitallizenzen - waren beiden dann doch zu viel. Was zwei Folgerungen nahelegt: Fernsehsport ist für die Platzhirsche vor allem Fußball, der ihnen jeden noch so hohen (Gebühren-)Betrag wert ist. Und die private Konkurrenz? Will gar keine öffentlich-rechtlichen Partner im Boot, um das Publikum langfristig von jenen zu entwöhnen.
Das hat drei Konsequenzen: Da Discovery rein wirtschaftlich tickt, wird es unwirtschaftliche Sportarten, sagen wir: Gehen, zugunsten lukrativer, sagen wir: Sprinten, in die hinterletzten Programmecken verbannen. Zumal (zweitens) Eurosport mitsamt des Mackerkanals DMAX alles andere als objektive Chronisten des olympischen Events sind, sondern Teile desselben, die sich produktschädigende Berichte über Themen wie Doping oder Korruption tunlichst verkneifen werden. Was zum dritten Punkt führt: ARD und ZDF können ihr hyperpatriotisches Jubelpersertum endlich durch distanzierte Analysen ersetzen und dem Staatsauftrag damit gerecht werden. Schöne alte Medienwelt.
An die mit etwas Fantasie auch eine fantastische Dokumentation erinnert: »Blacktape«. Montagnacht (0.15 Uhr, ZDF) begibt sich der szenekundige Filmemacher Sékou Neblett darin gewissermaßen in die längst vergangene Zeit des öffentlich-rechtlichen Monopols, als Musikvideos noch bei Peter Illmann statt MTV, geschweige denn Youtube liefen. Gemeinsam mit Marcus Staiger, dessen HipHop-Label Royal Bunker deutschen Sprechgesang einst aus Stuttgarts Studenten-WGs ins Berliner Getto geholt hat, macht sich Neblett auf die Suche nach einem längst verschollenen Künstler namens Tigon, der Anfang der Achtzigerjahre als Allererster auf Deutsch gerappt haben soll.
Aus dieser Suche entwickelt sich jedoch nicht nur die zusehends verbissene Jagd nach einem Phantom am Anfang der zeitgenössischen Popkultur, sondern eine Genrestudie, in der das Who-is-Who des hiesigen Rap zu Wort kommt: Max Herre, Thomas D., Samy Deluxe, Haftbefehl, Eco Fresh - solche Kaliber. Sie spüren dem Mythos ihres legendären Vorreiters nach. Allein - den gibt’s gar nicht! Nebletts Film ist eine Mockumentary, gibt sich mit Wackelkamera, Interviews, Laienschauspiel und viel, viel Musik also nur den Anschein dokumentarischer Authentizität. Da Dichtung und Wahrheit Richtung Finale aber zusehends wild durcheinander rauschen, wird »Blacktape« zur hinreißenden Geschichtsstunde, die nebenbei unterhaltsam die Gegenwart erklärt und deshalb nicht nur was für Fans ist. Fiktion kann so wahrhaftig sein!
ZDF, 5. Dezember., 0.15 Uhr
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