Kampf ohne Machtbekenntnis

Noch kommt die Wahlstrategie der LINKEN ohne Aussicht auf eine reale Koalition aus

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war eine schwere Geburt. Nach einem ersten, gescheiterten Anlauf im September ist am Wochenende die Wahlkampfstrategie der LINKEN zur Bundestagswahl 2017 beschlossen worden. 128 Anträge aus der Partei waren zur Sitzung des Parteivorstands eingegangen, mit denen Parteimitglieder, Gliederungen und Zusammenschlüsse den vorliegenden Entwurf zu ändern trachteten. Das ungewöhnliche Gestaltungsinteresse am Wahlkampfkonzept - über das Wahlprogramm wird ja extra entschieden - ist Indiz für die Differenzen, die in der Partei über das Selbstverständnis und die Ziele nach der Bundestagswahl 2017 schwelen. Dem ersten Entwurf von Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn, der in Teilen der Partei mit heftiger Kritik aufgenommen worden war, hatte der Bundesvorstand im September seine Zustimmung zunächst verweigert.

Das Konzept sei vorrangig auf die Wegbereitung einer rot-rot-grünen Regierung ausgerichtet gewesen, warfen die Kritiker vom linken Flügel dem Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter vor. Es werde Wahlkampf für die Konkurrenzparteien gemacht, die Eigenständigkeit der Linkspartei werde aufs Spiel gesetzt. Beim Forum Demokratischer Sozialismus (FDS) fand Höhns Entwurf dagegen Zustimmung. Höhn selbst hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und von Legenden gesprochen. Doch auch die nächste Sitzung des Parteivorstands im Oktober kam über Positionskämpfe nicht hinaus, wie Teilnehmer anschließend berichteten. An diesem Wochenende nun lag eine vom Geschäftsführenden Vorstand überarbeitete Fassung vor. Der Verdacht, dass darin heimlich oder offen Gemeinsamkeiten von SPD, Grünen und LINKEN beschworen würden, kann jetzt kaum noch aufkommen.

Penibel ist jede denkbare Interpretationslücke ausgemerzt, die als Milde gegenüber SPD und Grünen gedeutet werden könnte. Die Formulierung, dass es sich bei SPD und Grünen um »politische Konkurrenz« handele, CDU, AfD und FDP jedoch »Gegner« seien, fand sich schon im letzten Entwurf nicht mehr. Doch das Strategiekonzept lässt damit die entscheidende Frage, Mittel zu welchem Zweck die Bundestagswahl 2017 sein soll, in welches machtpolitische Ziel ein erfolgreicher Wahlkampf schließlich münden soll, offen.

Ein Befund aus dem ersten Entwurf hat sich erhalten. Seit 2013 sei der Anteil der Stammwähler an allen Wahlberechtigten von 55 auf unter 40 Prozent gesunken. Die Gruppe der Unentschlossenen (und Nichtwähler) sei inzwischen mit Abstand die größte unter allen Wahlberechtigten. »Aktuell ist es kaum vorhersehbar, wohin sie sich im Verlauf des kommenden Jahres mehrheitlich wenden wird. Diese Situation birgt für uns Risiken und Chancen zugleich.«

Die teils fundamental unterschiedlichen Ansichten in der Linkspartei über Opposition und Mitregieren, die zugleich Ausdruck verschiedener gesellschaftspolitischer Grundhaltungen sind, sind letzter Grund aller Differenzen. So wird zum Teil mit Argusaugen die zurückhaltende, aber erkennbare Denkbereitschaft der SPD-Führung betrachtet, die LINKE in Machtüberlegungen nach 2017 einzubeziehen. Nachdem es bereits zu ersten größeren Treffen der drei Rot-Rot-Grün-Parteien gekommen ist, die über die seit Jahren gepflegten Kontakte bekennender Anhänger einer Zusammenarbeit hinausgehen, wächst in Teilen der Linkspartei das Misstrauen, dass solche Kontakte zur Preisgabe des eigenen Profils führen.

Auch nach einem Treffen von rund 100 Vertretern der drei R2G-Parteien im Oktober im Bundestag war der Verdacht laut geworden, hier werde ein rot-rot-grüner Lagerwahlkampf vorbereitet. Der FDS-Vorstand wies solche Kritik als unzutreffend zurück. Er bestand zugleich darauf, das Ziel eines linken Politikwechsels gegen den Rechtstrend der Gesellschaft rechtfertige die Auslotung von Gemeinsamkeiten mit SPD und Grünen.

Neben der Wahlkampfstrategie, die nunmehr beschlossen ist, wurde dem 44-köpfigen Vorstand ein Vorentwurf auch des Wahlprogramms der beiden Parteivorsitzenden vorgelegt. Abzusehen ist, dass die Debatten darüber jene über die Strategie noch in den Schatten stellen werden. So findet sich darin die Forderung nach Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr, zugleich aber auch die Aussage, dass nicht Diktatoren und Autokraten unterstützt werden, sondern »demokratische Bewegungen in ihren Ansprüchen auf eine souveräne wie gerechte gesellschaftliche Entwicklungsperspektive«. Im Konflikt in Syrien begründet gerade das unterschiedliche Urteil über die Gegner von Diktator Assad einen Teil des Zwists in der LINKEN, wie man sich dazu verhalten sollte.

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