Warum Luthers Bibel die Halberstädter hart traf

In der Domstadt am Harz erschien 1522 die Heilige Schrift in niederdeutscher Sprache - das Projekt wurde ein Flop

  • Uwe Kraus, Halberstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

In Halberstadt (Sachsen-Anhalt) birgt nicht nur der Dom wahre Schätze, auch das Berend-Lehmann-Museum und das Literaturmuseum Gleimhaus haben Kostbarkeiten zu bieten. Dazu zählt die Halberstädter Bibel: Gemeint ist die Biblia dudesch, die die letzte gedruckte Bibel vor Erscheinen der Luther-Bibel.

Experten sehen in dem Buch, das im Gleimhaus aufbewahrt wird, ein herausragendes Werk der Druckgeschichte. Es entstand im Jahr 1522 in niederdeutscher Sprache - Halberstadt war nach Köln und Lübeck immerhin erst der dritte Druckort einer niederdeutschen Bibel.

Drei Jahre zuvor war Lorenz Stuchs in die Dom- und Bischofsstadt gekommen, bereits sein Vater hatte von Nürnberg aus Bücher für Halberstadt produziert. Stuchs junior druckte dann als Prototypograph von Halberstadt in den Jahren 1519 und 1520 zunächst zwei Messbücher. Er gewann den stellvertretenden Bürgermeister Ludwig Trutebul als Finanzier und Verleger. In dessen Hause stellte er in den Jahren 1519 bis 1523 etwa 20 Drucke her. Von diesen ist die niederdeutsche Bibel der bedeutendste.

Zu jener Zeit lebte auch Conrad Drake in Halberstadt. Von ihm stammen die Holzstöcke für die Buchillustrationen. Sein Monogramm CD belegt das. Der Formschneider schuf auch sechs Holzschnitte für diese Bibel. Dabei handelte es sich um Titelholzschnitte für die beiden Bände, ein Wappenholzschnitt jeweils am Buchende sowie ein Bild, das den Heiligen Hieronymus beim Übersetzen der Bibel zeigt. Dieser Holzschnitt wiederholt sich an mehreren Stellen. Drake zugeordnet werden noch zwei Holzschnitte zum Text: »Die Erschaffung der Eva« und »Die Vertreibung aus dem Paradies«.

Mit diesen Illustrationen versuchte man in Halberstadt wohl eigene Wege zu gehen. Alle übrigen über 100 Bilder stammen aber aus der Kölner Bibel, sie sind damit rund ein halbes Jahrhundert älter, was sich gut am Stil festmachen lässt. Vermutungen, dass in Halberstadt zunächst eine völlige illustratorische Neugestaltung geplant war, lassen sich bisher nicht belegen.

Als Basis der Texte diente die Lübecker Ausgabe, wobei das Psalterium aus der Kölner Bibel stammt. An wesentlichen Stellen im ersten Teil findet der Leser Spuren eigener selbstständige Übersetzungsversuche bei Genesis, den Makabäern und Jesaja.

Die Erfahrungen im Buchdruck beschränkten sich um 1520 in Halberstadt auf kleinere reformatorische Schriften von Luther und anderen. Die niederdeutsche Bibel stellte dagegen ein Großprojekt dar, das zudem unter einem gewissen Zeitdruck stand, was die »Markteinführung« betraf. War doch bekannt, dass die Bibelübersetzung Luthers in hochdeutscher Sprache in Arbeit war.

Und tatsächlich: Das wirtschaftliche Fiasko trat ein. Noch im gleichen Jahr wie die letzte vorlutherische Bibel erschien Luthers Neues Testament in Wittenberg. Gegen die hochdeutsche Konkurrenz kam die niederdeutsche Fassung aus Halberstadt kaum an. Die Verkaufserwartungen wurden nicht erfüllt, nur recht wenige Exemplare abgesetzt. Konkrete Zahlen ließen sich bisher nicht feststellen. Jedoch befinden sich Halberstädter Bibeln in Schweden, Den Haag und auf der britischen Insel. Auch in Tallinn (Estland) liegt ein Exemplar im Geschichtsmuseum.

Die Pleite verkraftete die Halberstädter Druckerei letztlich nicht. Der Verleger Trutebul verkaufte schließlich die Werkstatt an Johannes Loersfeld, der 1523 den Betrieb nach Erfurt verlagerte. Nur vier Jahre also währte die Hochzeit des Halberstädter Buchdrucks - immerhin lang genug, um mit dem Druck der niederdeutschen Bibel ein bleibendes Denkmal zu schaffen.

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