Wer raucht, muss die Außentreppe nehmen
In Japan und Schottland brechen schwere Zeiten für Nikotinsüchtige an
Noch dürfen Japans Raucher so ziemlich überall ihre Sucht ausleben. Doch bis zu den Olympischen Spielen in Tokio 2020 will das Gesundheitsministerium ähnlich strenge Regeln wie in anderen Industrienationen einführen. Zumindest im eigenen Haus hat sich die Nichtraucherlobby durchgesetzt.
Nach vielen Beschwerden über Tabakgestank in Aufzügen haben Beamte des Gesundheitsministeriums ab sofort auch in den ersten Minuten nach ihrem Zigarettenkonsum Aufzugverbot. Damit sie ihren Gestank loswerden, bevor sie aus der Freiluftraucherecke an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, müssen sie die Außentreppe nehmen. Die neuen Regeln begrenzen auch die maximale Aufenthaltsdauer in der Raucherzone.
Mit den strengen Regeln steht das Ministerium allein. An vielen Arbeitsplätzen darf nach Herzenslust gepafft werden. Es liegt im Ermessen der Unternehmen und Restaurants, ob sie Nichtraucher schützen wollen. Laut einer Umfrage gab ein Drittel der befragten Nichtraucher an, sie hätten im vergangenen Monat an ihrem Arbeitsplatz passiv mitrauchen müssen. 41,4 Prozent seien in Restaurants Tabakrauch ausgesetzt gewesen.
Schätzungen zufolge sterben jährlich bis zu 15 000 Nichtraucher in Japan an den Folgen des Passivrauchens. Das soll sich jetzt ändern. Gegenwärtig arbeiten die Beamten an Gesetzentwürfen für totale Rauchverbote auf den Geländen von Schulen und Krankenhäusern. Auch in den Innenbereichen von Restaurants, Hotels und Bars soll künftig absolutes Rauchverbot herrschen.
Doch Japans kleine Nichtraucherlobby ist skeptisch, dass der Entwurf jemals geltendes Recht wird. Viele Politiker hätten enge Verbindungen zur Tabakindustrie und kein Interesse an strengeren Regeln, kritisieren die Nichtraucher. »Es war ein endloser politischer Kampf«, erinnert sich der Ex-Gouverneur der Präfektur Kanagawa, Shigefumi Matsuzawa. Vor sieben Jahren hatte er in Kanagawa erstmals ein Rauchverbot in öffentlichen Räumen durchgesetzt. »Ich brauchte drei Jahre, um die Opposition der Abgeordneten zu brechen, die von der Tabakindustrie unterstützt wurden.«
Die Regierung besitzt noch immer gut ein Drittel der Aktien des einzigen japanischen Tabakherstellers Japan Tobacco (JT). Der ehemalige Staatskonzern hat einen Marktanteil von rund 60 Prozent. Ein Tabakgesetz von 1984 verpflichtet die Regierung gar, an der gesunden Entwicklung der Tabakindustrie zu arbeiten, damit diese Steuereinnahmen generiert und die Wirtschaft fördert.
Solange das Finanzministerium JT-Anteile besitze, seien Nichtraucherschutzmaßnahmen kaum mehr als schöne Worte, fürchten Beobachter. Einzige rechtliche Basis des Schutzes ist ein Gesetz von 2003, das »Anstrengungen« fordert, um Passivrauchen an Orten mit großem Menschenaufkommen zu verhindern. Das Gesetz stammt aus einer Zeit, in der gut die Hälfte aller japanischen Männer geraucht hat. Laut neuesten Daten rauchen heute lediglich 18,2 Prozent aller Erwachsenen - ein neuer nationaler Rekord.
100 Pfund für Tabakkonsum in Autos mit Kindern
London. Das Rauchen im Auto in Anwesenheit von Kindern ist in Schottland ab sofort verboten: Am Montag trat ein Gesetz in Kraft, das Qualmen in Fahrzeugen mit Minderjährigen untersagt. Bei Verstößen ist ein Bußgeld von 100 Pfund (119 Euro) fällig. Landet der Fall vor Gericht, droht eine Strafe von bis zu 1000 Pfund.
Schottlands Gesundheitsministerin Aileen Campbell verwies auf die »gefährliche Menge« an Chemikalien, die sich durch das Rauchen selbst bei kurzen Fahrten im Auto ansammeln könne. Das Parlament hatte die Verschärfung des Rauchverbots im vergangenen Dezember einstimmig verabschiedet. Die Regierung will bis 2034 die Raucherquote auf unter fünf Prozent senken, um eine »tabakfreie Generation« zu schaffen. Die Raucherlobby nannte das Gesetz »bevormundend und unnötig«. Der Chef der Pro-Raucher-Gruppe Forest, Simon Clarkerklärte: »Raucher wissen, dass es rücksichtslos ist, und die überwältigende Mehrheit tut es nicht.« AFP/nd
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