Seifenoper in Salzwüste

Im Kino: »Salt and Fire« von Werner Herzog

  • Gunnar Decker
  • Lesedauer: 4 Min.

Werner Herzog ist ein Getriebener. Im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb sahen wir seinen Film »Queen of the Desert« über die Afrika-Reisende Gertrude Bell, mit einer Nicole Kidman in der Hauptrolle, der die Ratlosigkeit über ihre Rolle ins Gesicht geschrieben stand. Was tat sie hier? Es wurde nicht recht klar in dieser höchst seltsamen Form von kulinarischer Wüstenschönfilmerei mit gelegentlich penetrant belehrend erhobenem Zeigefinger.

Bevor nun 2017 Herzogs nächster Film mit dem Titel »In den Tiefen des Infernos« herauskommt, drängt zum Ende dieses Jahres noch eine weitere Produktion des Vierundsiebzigjährigen ins Kino: »Salt and Fire«. Und wieder spielt eine Wüste (diesmal eine Salzwüste in Bolivien) die Hauptrolle. Gegen die Landschaft ist nichts zu sagen, aber was sich Werner Herzog, der nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch schrieb (alte Autorenfilmschule), an Handlung ausdachte, das ist nicht mehr nur seltsam, sondern ominös.

Man sagt es nicht gern über einen der integersten und klügsten Männer im Filmgeschäft. Als Werner Herzog 2010 Präsident der Wettbewerbsjury der Berlinale war, da verströmte er wie kein anderer davor und danach auf seine stille Art eine so natürliche Autorität, dass man sich unwillkürlich wünschte, von so einem Präsidenten das ganze Jahr über beschirmt zu werden. Doch es gibt den Regisseur nun mal doppelt. Da ist der subtile Dokumentarfilmer, der nicht erst seit »Mein liebster Feind« (1999) über die Hassliebe zu seinem paranoiden Hauptdarsteller Klaus Kinski (»Fitzcarraldo«) eine ungewöhnliche Form von Anverwandlungsfähigkeit bewies, auch mit seinen mehrteiligen Interviewfilmen über Todeskandidaten in texanischen Gefängnissen (die er oft bis zu ihrer Hinrichtung begleitete). Aber da ist auch der westdeutsch sozialisierte Autorenfilmer, und der offenbart - warum es verschweigen - in Spielfilmen immer wieder ein Maß an Dilettantismus, das geradezu sprachlos macht.

Aber er verteidigt, diese Art Filme zu machen, die als Liebhaberei gerade so durchgehen würde, mit einer schon wieder Respekt gebietenden Selbstverständlichkeit. So lange sein Hauptdarsteller Klaus Kinski lebte, der in seiner wütenden Egozentrik alles an sich zog und in seinem Schatten verschwinden ließ, fiel das nicht so auf.

Aber nun, da man von Herzog als Regisseur erwartet, einen Film so zu konzipieren, dass er in sich irgendwie schlüssig ist und einen dramatischen Bogen schlägt, einen eigenen Rhythmus findet, zeigt sich das Problem. Es hat einen an sich sympathischen Grund. Er will seinen Schauspielern einen Film schenken, gibt ihnen den Raum dazu. Kinski war verrückt genug, es zu können, Nicole Kidman konnte es offensichtlich nicht und nun versucht sich ausgerechnet Veronica Ferres daran.

Sie ist in »Salt and Fire«, einem mythisch aufgeladenen Öko-Thriller, Frau Professor Laura Sommerfeld, die Leiterin einer offiziellen deutschen Delegation, die die Umweltzerstörungen in Bolivien dokumentieren soll. Nun ist Veronica Ferres vieles, doch gewiss nicht das. Sie kann die Naive spielen, die sich empört, so wie in »Die Frau vom Checkpoint Charly«, aber keine Intellektuelle in schwieriger Mission.

Die Delegation wird gleich nach ihrer Ankunft am Flughafen von Vermummten entführt - aber die wollen kein Geld, sondern der Frau Professor auf ihre Weise nachdrücklich zeigen, wo das Problem liegt. Zu diesem Zweck fahren sie mit ihr in eine durch künstliche Bewässerungssysteme andernorts entstandene riesige giftige Salzwüste - und setzen die deutsche Delegationsleiterin dort aus, ohne ihre Delegation, aber mit zwei behinderten bolivianischen Kindern. Wozu, das bleibt Herzogs Geheimnis. Vielleicht, weil Veronica Ferres nur mit Kindern irgendwie zu spielen vermag (nicht gerade gut, aber nicht ganz so grausam schlecht wie im Rest des Films). Der Kopf der Entführerbande ist übrigens ein netter Kerl, einer mit Idealen, in den man sich gut verlieben kann.

Der Kamera-Blick von Peter Zeitlinger auf die Salzwüste ist schrecklich-schön und man denkt, warum hat Werner Herzog - statt dieser Seifenoper mit unsinnig-hölzernen Dialogen und platter Handlung - denn keinen Dokumentarfilm gemacht, etwas, das er wirklich gut kann?

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