Deutsch üben vor dem ersten großen Löschangriff
Carine »Steffi« Tchouta aus Kamerun macht in Fürstenwalde bei der Freiwilligen Feuerwehr mit
Carine Stephanie Tchouta weiß aus eigenem Erleben, wie wichtig die Feuerwehr sein kann. In ihrer Heimat in Kamerun ist der 26-Jährigen die komplette Wohnung ausgebrannt. Fachleute zum Löschen von Bränden? Fehlanzeige.
»Feuerwehren gibt es nur in größeren Städten«, sagt die junge Afrikanerin mit charmantem französischen Akzent. Steffi, wie sie bei der Feuerwehr in Fürstenwalde von den Kollegen nur genannt wird, trägt inzwischen selbst Uniform, gehört seit einem Jahr zum Löschzug Mitte. Schlauchverlegen, Feuerlöscher säubern oder Gerätekontrolle gehören für sie zum kleinen Einmaleins.
Sie hatte sich selbst für diese ehrenamtliche Arbeit gemeldet, ebenso wie ihr Landsmann Mohamed Nseli (29) und der Somalier Ahmed Hassan Mohammed (36). Alle drei sind Flüchtlinge, die in Asylheimen in Fürstenwalde leben. Ihr Deutschkurs, organisiert und finanziert von der Stadtverwaltung, führte sie vor einem Jahr auch in die Feuerwache Mitte.
»Das ist mittlerweile obligatorisch so. Die Kursteilnehmer besuchen auch Einrichtungen der Stadt, für uns ein Glücksfall«, sagt Jörn Müller, Chef der 36 hauptamtlichen und 68 freiwilligen Feuerwehrleute im Ort. »Eigentlich bräuchten wir für eine 100-prozentige Einsatzfähigkeit rund um die Uhr doppelt so viele Leute.«
Denn die Brandschützer sind nicht nur für das Stadtgebiet mit seinen 33 000 Einwohnern zuständig, sondern auch für 30 Kilometer der wegen ihrer schweren Unfälle berüchtigten Autobahn 12. »Insofern hätte ich gerne polnische oder russische Mitstreiter. Denn häufig sind die Unfallopfer Osteuropäer«, sagt der Feuerchef. Allerdings sei ihm jede Verstärkung recht, egal welcher Nation.
Warum sich trotz Aufwandsentschädigung, Teamarbeit und sportlichen Vergünstigungen so wenige Menschen für die Feuerwehr begeistern, kann Müller nicht verstehen. Da sind die Flüchtlinge willkommen. Allerdings braucht es einige Zeit, bis sie zu Einsätzen mitgenommen werden können. »Die Sprachkenntnisse sind entscheidend und noch zu dürftig. Wenn die Fachbegriffe nicht sitzen, können sie im Ernstfall Anweisungen nicht verstehen«, sagt Heino Reer, Löschtruppführer von Steffi. Da alle drei aber sehr wissbegierig und engagiert seien, lohne sich die Mühe, sind sich Reer und Müller einig.
»Wir wünschten, es gäbe mehr solcher Vorzeigebeispiele«, sagt Ingo Bröcker-Wätzel vom Landesfeuerwehrverband. Er ist er zuständig für das Projekt »Ohne Blaulicht«, in dem in Asylheimen über Brandschutz und den Missbrauch von Feuermeldern aufgeklärt wird. Bei diesen Vorträgen werde auch immer für ein Engagement in der Freiwilligen Feuerwehr geworben, doch bisher ohne nennenswerte Resonanz. In Wittstock hatte es ein vergleichbares Interesse syrischer Flüchtlinge für die Feuerwehr gegeben. Allerdings, so weiß auch Müller, sind diese Zuwanderer inzwischen umgezogen oder abgeschoben worden. »Da war der ganze Aufwand der Kollegen umsonst.« Das könne ihm bei Steffi, Mohamed und Ahmed nicht passieren, versichert er. Alle drei dürfen und wollen in Fürstenwalde bleiben.
»Die Stadt gefällt mir«, sagt der somalische Feuerwehraspirant, der seit eineinhalb Jahren in Ostbrandenburg lebt und später gern als Übersetzer arbeiten würde. Sein ehrenamtliches Engagement bei der Feuerwehr will er auch dann gern fortsetzen, »um der deutschen Gesellschaft etwas zurückzugeben«.
Steffi geht sogar noch einen Schritt weiter: Auf die Fragen nach ihrem Berufswunsch sagt die junge Afrikanerin mit strahlenden Augen: »Feuerwehrfrau.« Die Brandschützer seien zu ihrer Familie geworden. »Sie hat tatsächlich große Fortschritte gemacht und wir glauben an sie«, sagt Müller. Er verschaffte der 26-Jährigen jetzt ein vierwöchiges Praktikum in der Feuerwache Mitte.
»Sie ist täglich bei uns und nicht nur einmal wöchentlich zum Training«, beschreibt er die Vorteile. Die angehende Feuerwehrfrau lerne die Arbeitsabläufe kennen und verbessere ihre Deutschkenntnisse. »Ich könnte das jetzt auf Englisch erklären«, sagt Steffi häufig mit charmantem Lächeln. »Nix da - auf Deutsch«, sagt Müller knapp und muss dabei schmunzeln. dpa
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