Junge Union greift Anti-Rechts-Projekt an

Amadeu-Antonio-Stiftung soll überwacht werden

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist auf den Tag fast 26 Jahre her, da erlag der Angolaner Amadeu Antonio Kiowa nach elf Tagen Todeskampf auf der Intensivstation seinen schweren Verletzungen. Nazis hatten den jungen Mann in Eberswalde überfallen, schlugen ihn ins Koma. Kiowa gilt als das erste Todesopfer rassistischer Gewalt nach der Wende. In der Gegenwart kann sich die nach ihm benannte Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) dieser Tage nur schwer auf das Gedenken anlässlich seines Todestages konzentrieren.

Schuld ist die gestiegene Zahl verbaler Angriffe rechter Gruppen auf die Initiative, die sich seit 1998 dem Kampf gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus verschrieben hat. Allein der Druck wird inzwischen nicht mehr allein von den üblichen Verdächtigen ausgeübt: Auf dem Bundesparteitag der CDU in Essen brachte der Parteinachwuchs von der Jungen Union (JU) einen Antrag ein, der nicht nur den Stopp der staatlichen Förderung für die AAS forderte, sondern zudem die Überprüfung der Initiative »auf Basis der getätigten Aussagen ihrer Vertreter und öffentlichen Kundgaben« durch den Verfassungsschutz forderte. Zur Begründung argumentierte die JU, die Stiftung zensiere »im Auftrag staatlicher Stellen ohne juristische Überprüfung« Äußerungen, die durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt seien.

Was sich wie eine rechte Verschwörungstheorie im Kampf gegen eine angebliche linke Meinungsdiktatur anhört, richtet sich auch gegen eine Initiative des Bundesjustizministers Heiko Maas (SPD), der im Oktober 2015 eine »Task Force gegen Hassinhalte im Internet« ins Leben rief, der auch die AAS angehört. Doch um Zensur geht es dabei keinesfalls. Viel mehr soll die Gruppe Strategien im Umgang mit rassistischer, antisemitischer und demokratiefeindlicher Hassrede im Internet entwickeln. Einmal im Jahr, so schreibt es die Anti-Rechts-Initiative auch auf ihrer Website, treffe man sich dazu auch mit Facebook, um über das wachsende Problem mit Hasskomentaren zu diskutieren. »Dabei macht die Stiftung deutlich, dass Löschen und Verbote das eigentliche Problem nicht lösen«, heißt es in einer Erklärung. Ausnahmen gelten dann, wenn die Äußerungen strafrechtlich relevant sein könnten. Wie Facebook darüber hinaus mit solchen Inhalten umgehe, entscheide das Unternehmen selbst.

Obwohl der JU-Antrag letztlich vom CDU-Parteitag nur an die Unionsfraktion im Bundestag überwiesen wurde und dort aller Wahrscheinlichkeit nach keinerlei größere Reaktionen auslösen dürfte, zeigt der Vorstoß doch, dass die Stiftung mit wachsendem Gegenwind konservativer bis rechtsradikaler Gruppen zu tun hat.

Im Bundesinnenministerium sieht man die Angelegenheit entspannt. Gegenüber dem »Tagesspiegel« erklärte ein Sprecher, die Stiftung erhalte derzeit keine Förderung. Als anerkannter Träger der politischen Bildung hat die AAS aber die Möglichkeit, eine regelmäßige Förderung durch die Bundeszentrale für politische Bildung zu erhalten. Einen Grund, an diesem Status etwas zu ändern, sieht man im Ministerium nicht. Neu ist solch ein Vorstoß aus den Reihen der Union nicht. Im August forderte der Leipziger CDU-Politiker Thomas Feist in einem Brief an das Bundesfamilienministerin, die Finanzierung der Stiftung einzustellen. Die AAS würde Linksradikalen als »Plattform für Denunziationen und zur Ankündigung von Gewalttaten« dienen.

Ähnliche Vorwürfe gegen die Stiftung waren davor massiv aus den Reihen von Rechtsradikalen zu hören. Dazu fertigte der Rechtsextremismusexperte Samuel Salzborn jüngst eine Studie an. Sein Fazit: »Faktisch ärgern sich die extreme Rechte und Teile des rechtskonservativen Spektrums darüber, dass die Amadeu-Antonio-Stiftung erfolgreich gegen die weitere Verbreitung rechter Propaganda arbeitet.«

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