Auftrieb gegen Rechts

»Schulen ohne Rassismus« treffen sich zum Austausch

  • Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 3 Min.

»Was ist Rechtspopulismus?« fragt Frank Metzger vom antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) die Runde. Ein Jugendlicher aus dem Stuhlkreis meldet sich, um sein Handgelenk ein Lederarmband mit Eisernen Kreuzen. »Das sind ungebildete Leute, die keinen Schulabschluss haben«, sagt er. Ein Mädchen hebt die Hand: »Das sind Leute aus der unteren Schicht. Vielleicht haben die ihr eigenes Leben nicht so gelebt, wie sie gewollt haben.« Ein Dritter wendet ein: »Ich finde, das ist zu einfach dargestellt.« Auch Metzger sagt: »Die AfD ist keine Partei, wo dumme Menschen drin sitzen.«

Die Diskussion über »Rechtspopulismus in Berlin« ist einer von 21 Workshops, die das Landestreffen des Berliner Netzwerks »Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage« anbietet. Die Aula des Jugendkulturzentrums »Pumpe« ist voll belegt, Schüler von 44 der 84 Schulen sind gekommen. Das diesjährige Motto des Kongresses heißt »Hoffnung«. Sanem Kleff, Leiterin der Landeskoordination und Vorsitzende der Aktion Courage, sagt: »Wir haben die berechtigte Hoffnung, dass es für alle Probleme solidarische Lösungen gibt.« Dies sei eine Gegenreaktion zur allseits verbreiteten Angst.

Das Interesse an der »Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage« steigt kontinuierlich, das lässt sich an den Zahlen ablesen. Es gibt das Netzwerk in 15 der 16 Bundesländer, nur Hamburg ist nicht dabei. Insgesamt machen 2300 Schulen mit, pro Jahr kommen bundesweit zwischen 250 und 300 Schulen dazu. In Berlin nehmen zehn Prozent der Schulen teil.

Vielleicht gerade wegen eines erstarkten Rechtspopulismus in der Gesellschaft. Kleff sagt: »Workshops zu rechtspopulistischer Demagogie sind sehr nachgefragt. Das sind Dinge, die Schüler beschäftigen. Sie merken, dass das irgendwie nicht akzeptabel ist, aber sie verstehen nicht, warum.«

Um darüber ins Gespräch zu kommen, hat sich das Netzwerk gegründet, dessen Träger der Verein Aktion Courage ist. »Der erste Punkt wäre schon mal, Gedanken und Anliegen der Schüler auf den Tisch zu bringen. Das passiert meines Erachtens nicht genug«, sagt Kleff. Dabei helfen pädagogische Mentorinnen wie Almut Paulsen, die pensionierte Erzieherin ist. »Wir müssen bei rassistischen Vorfällen einen anderen Umgang finden als den Schulverweis«, sagt sie. Das Netzwerk sieht sich als »Scharnier«, vermittelt Referenten von Kooperationspartnern wie apabiz, das Archiv der Jugendkulturen, oder die Jugendbildungsstätte Kaubstraße.

Wie zum Beispiel die Bildungsreferentin Goska Solouch. Sie arbeitet mit Schülern zum Thema Ausgrenzung. »Stellt euch vor, ihr kommt in eine neue Klasse«, sagt Solouch. »Wie fühlt ihr euch da?« Hanna, Fünftklässlerin in der Katharina-Heinrich-Grundschule, erzählt: »Einmal hatte sich meine Erzieherin ein Bein gebrochen, da musste ich in einen anderen Kindergarten. Die hatten keine Verkleidungskiste. Und meine beste Freundin war auch woanders.« Auch Lehrer können sich fremd fühlen. Linda Tilley erzählt: »Ich bin Gymnasiallehrerin, aber seit einem Jahr bin ich an der Grundschule. Da hab ich erstmal alles falsch gemacht.«

Dass die Teilnehmenden unterschiedlich alt sind, ist so gewollt. Während bei der Powerpoint-Präsentation zu Rechtspopulismus nicht alle Kinder folgen können, ist das bei der spielerischen Herangehensweise von Solouch kein Problem. Die Sozialwissenschaftlerin sagt: »Mein Konzept ist, mit möglichst einfachen Beispielen zu arbeiten und die Personen, die das können, einzuladen, die Metaebene zu benutzen.« Den Teilnehmern sagt sie zum Abschied: »Ich würde gerne in eure Klasse kommen, weil ich mir sicher wäre, ein schönes Willkommen von jeder einzelnen Person zu bekommen.«

Dass die Realität der Schulen oft eine andere ist, lässt Tilley durchblicken. »Es gibt immer wieder so Situationen. Aber deshalb sind wir ja hier.« Vorfälle gebe es regelmäßig, sagt auch Kleff. »Das ist kein TÜV-Siegel.« Das Netzwerk verstehe sich auch nicht als Kontrollgruppe oder Strafinstanz. Stattdessen besuchten Mitarbeiter der Koordinierungsstelle die Schulen. »Da fragen wir: Was ist hier los? Was braucht ihr?« Dass eine Schule aus dem Netzwerk ausgetreten ist, sei noch nie vorgekommen.

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