Auf dem Vormarsch?
Bildungsrauschen
Mit Artikel 143,1 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) wurde erstmals in Deutschland festgeschrieben, dass »für die Bildung der Jugend öffentliche Anstalten zu sorgen« haben und dass »bei ihrer Einrichtung Reich, Länder und Gemeinden zusammen wirken«. (Bundeszentrale für Politische Bildung, bpb.de) Die Reform löste die bis dato geltende Unterrichtspflicht ab, die z.B. auch den häuslichen Privatunterricht ermöglichte. Andere europäische Länder, zum Beispiel Dänemark, arbeiten noch heute mit der Unterrichts- und nicht mit der Schulpflicht.
In Artikel 146,1 der Weimarer Verfassung findet sich der bis heute geltende Aufbau des Schulwesens, beginnend mit der Grundschule. Interessant ist, dass »Mannigfaltigkeit der Lebensberufe« und die »Anlage und Neigung« der Kinder nicht aber die »gesellschaftliche Stellung oder das Religionsbekenntnis der Eltern« als Kriterium für die Aufnahme an weiterführenden Schulen formuliert wurden. Privaten Schulen blieb die Möglichkeit, sich eine Genehmigung vom Staat einzuholen. Neben dem Nachweis geeigneter Pädagogen und pädagogischer Zielsetzung mussten sie darlegen, dass ihre Zusammensetzung nicht zur sogenannten Sonderung der Kinder nach Besitzverhältnissen beitrug. Private Volksschulen bekamen nur dann eine Zulassung, wenn entweder eine »öffentliche Volksschule ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung in der Gemeinde nicht besteht oder die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt«, so geschrieben in Artikel 146,2. Hierunter fielen vor allem konfessionelle und reformpädagogische Schulen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernahm die Regelungen der Weimarer Verfassung in Artikel 7. Absatz 1 unterscheidet zwischen Ersatzschulen, die einer staatlichen Anerkennung bedürfen, und Ergänzungsschulen, die in ihrer Gestaltung frei, deren Abschlüsse aber nicht gleichwertig sind. Hierzu zählen Internationale Schulen mit ihrem International Baccalaureate Diplom.
Auf bpb.de ist dokumentiert, dass die Politik durchaus um das Unterlaufen des Artikels 7 weiß. Als eines der Ursachen macht man den Rückgang staatlicher Angebote in strukturschwachen Regionen verantwortlich. In diese Lücke stoßen Privatschulen und »ersetzen vollständig« öffentliche Schulen.
Auch das in der öffentlichen Bildung als vorbildlich geltende Schweden lässt zunehmend Privatschulen zu. Laut faz.net hat die Einführung von Bildungsgutscheinen diesbezüglich »eine Schleuse geöffnet«. Die Gutscheine können Eltern bei Schulen ihrer Wahl einlösen. Privatschulen steht dabei nur das Geld der Gutscheine zur Verfügung. Trotzdem arbeiten »circa zwei Drittel« gewinnorientiert. 2013 betrug die Höhe der Schulgebühren in schwedischen Privatschulen laut FAZ rund »10 000 Euro pro Jahr«. Schon 2009 habe »etwa jeder fünfte Schüler« im Land Privatschulen besucht. Der Bildungsökonom Anders Böhlmark von der Universität Stockholm führt diesen Trend auf die bessere Qualität der Privatschulen und deren Vielfalt zurück. Lena Tietgen
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