Zukunft von Flüchtlingsheimen unsicher
PeWoBe soll ausstehende Gehälter für November überwiesen haben / Zeitplan für Betreiberwechsel unklar
»Ich bin fix und fertig von dieser Zitterpartie«, sagt Marion Seifert. Drei Wochen hat sie auf ihr Gehalt gewartet, zum üblichen Termin war der Lohn vom November nicht auf ihrem Konto eingegangen. Seifert arbeitet bei der Professionellen Wohn- und Betreuungsgesellschaft (PeWoBe) und heißt eigentlich anders, möchte aber nicht, dass ihr Arbeitgeber liest, dass sie mit der Presse gesprochen hat. Die PeWoBe betreibt Flüchtlings- und Obdachlosenwohnheime in Berlin und Sachsen-Anhalt. Nach Informationen des »nd« ist Seifert kein Einzelfall: Keiner der rund 120 Mitarbeiter der PeWoBe soll im November sein Gehalt bekommen haben.
Am Freitag dann ein erster Hoffnungsschimmer: Laut einer E-Mail der PeWoBe an alle Heimleiter, die »nd« vorliegt, sollen alle Mitarbeiter eine erste Abschlagszahlung von 500 Euro erhalten. Den Eingang des Geldes bestätigten am Montag mehrere Mitarbeiter unterschiedlicher Heime dem »nd«. Ihnen sei zudem mitgeteilt worden, dass noch am Montag der Rest des Gehalts überwiesen worden sei. Birgit Schulz, Leiterin der Notunterkunft in der Haarlemer Straße in Neukölln, sagte dem »nd«, das Geld sei bereits angekommen, bei anderen Mitarbeitern war das bis zum Nachmittag nicht der Fall.
Die Motive für die Verschleppung sind unklar. Im August hatte der Senat allen PeWoBe-Flüchtlingsheimen sowohl fristlos als auch hilfsweise fristgerecht gekündigt, nachdem zuerst Vorwürfe über Personalmangel und »unhaltbare Zustände« in einem Heim in Hellersdorf erhoben und dann eine E-Mail-Korrespondenz führender PeWoBe-Mitarbeiter mit fremdenfeindlicher Lesart öffentlich geworden waren.
Im September waren zudem die Geschäftsräume der PeWoBe durchsucht worden. Grund war laut Staatsanwaltschaft der Verdacht, dass betrügerische Leistungen beim Betrieb von Flüchtlingsunterkünften abgerechnet worden seien.
Von den neun Flüchtlingsunterkünften der PeWoBe wurden bis jetzt erst drei an neue Betreiber übergeben. Aus dem zuständigen Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten heißt es dazu, die Verhandlungen mit der PeWoBe hätten gestockt, seien aber wieder aufgenommen worden. Als nächstes sollen die Heime in der Bornitzstraße in Lichtenberg und der Colditzstraße in Tempelhof-Schöneberg übergeben werden. Ein Zeitplan wurde nicht angegeben.
Stephan von Dassel, Bezirksbürgermeister von Mitte (Grüne), kritisiert, das Landesamt informiere das Bezirksamt schlecht und arbeite langsam. »Das LAF arbeitet wie das Landesamt für Gesundheit und Soziales in seinen schlimmsten Zeiten«, sagte er dem »nd«. Anfragen würden »unglaublich zäh und schwerfällig« bearbeitet. In der Gemeinschaftsunterkunft der PeWoBe in Reinickendorf beispielsweise gebe es 35 freie Plätze, die wegen des anstehenden Betreiberwechsels unbelegt blieben.
Nach dem Ausbleiben der Gehaltszahlungen der PeWoBe hatte sich Mitarbeitern zufolge der Krankenstand in einigen Einrichtungen stark erhöht, einige Kollegen drohten mit Kündigung. In mehreren Heimen hatten die Angestellten eigenen Angaben zufolge Mahnungen an die Geschäftsführung geschrieben und darin ihr Gehalt eingefordert. Als nächster Schritt seien Klagen vor dem Arbeitsgericht angedacht. »Wenn ich meine Miete nicht zahlen kann, interessiert meinen Vermieter kaum der Grund dafür«, sagte eine Mitarbeiterin dem »nd«, die ihren Namen nicht nennen wollte. Deshalb hatte sie noch am Freitag darüber nachgedacht, sich einen neuen Job zu suchen.
Durch die nun angekündigte Zahlung muss sie das nicht sofort - trotzdem könnte ihr eine Kündigung drohen. Bei den bisherigen Betreiberwechseln der PeWoBe-Heime wurden die Mitarbeiter von den neuen Hausherren nicht übernommen. Doch wann die Heime übergeben werden, wissen die Mitarbeiter nicht. »Die Intransparenz unserer Geschäftsleitung uns gegenüber ist einfach sehr belastend«, sagt Marion Seifert. Auch stünden Gerüchte über einen Verkauf der PeWoBe im Raum. nd-Anfragen an das Unternehmen wurden bis Redaktionsschluss nicht beantwortet.
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