Eltern klagen gegen Kitabeiträge

Die Stadt Cottbus hatte zum August die Summen erhöht und einen Mindestbetrag eingeführt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum August hatte die Stadt Cottbus die Elternbeiträge für Kitas und Schulhorte erhöht und dabei einen Mindestbeitrag von zehn Euro monatlich eingeführt. Alle Einkommensgruppen müssen mehr zahlen. Bis zu 110 Prozent beträgt die Steigerung. Bereits ab einem jämmerlichen Jahreseinkommen von 18 000 Euro brutto (wohlgemerkt die Löhne von Vater und Mutter zusammengerechnet) sind im Monat 77 Euro zu zahlen - für die Betreuung des ersten Kindes in der Krippe mehr als acht Stunden am Tag. Bei 36 000 Euro Jahreseinkommen wären es schon 155 Euro monatlich.

Die Staffelung sei so verändert worden, »dass auch höhere Einkommen herangezogen werden können«, rechtfertigt Stadtsprecher Jan Gloßmann das Vorgehen als einen Akt der Gerechtigkeit. »Alle Eltern zahlen nunmehr den gleichen prozentualen Anteil«, erläutert er. Acht betroffene Eltern, Gering- wie Besserverdienende, wehren sich nun juristisch, darunter mit Rosalie Liehr eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern und geringem Einkommen, von der 36 Euro monatlich verlangt werden. Es klagt auch Juliane Züge, die zwei Kinder hat. Elf Prozent vom Netto werden ihr weggenommen, sagt sie.

Fakten
  • In der Stadt Cottbus gibt es 69 Kitas und Schulhorte. Sie werden von 6848 Kindern besucht.
  • Durch die Erhöhung der Kitagebühren erhofft sich die Stadtverwaltung für das kommende Jahr Mehreinnahmen in Höhe von 110 700 Euro, davon allein 38 200 Euro durch den Mindestbeitrag.
  • Im Jahr 2016, in dem die Erhöhung bereits seit August wirksam ist, zahlen die Eltern zusammen etwa 4,6 Millionen Euro Beiträge.
  • Die Stadt bezuschusst die Betreuung mit rund 24 Millionen Euro.
  • Cottbus ist hoch verschuldet. Der Fehlbetrag beläuft sich auf 280 Millionen Euro. af

Mit allen Fraktionen des Stadtparlaments habe man das Gespräch gesucht, »um eine politische Lösung zu finden«, sagt am Dienstagnachmittag Arlett Anderßen, Mitgründerin der Elterninitiative gegen die neuen Kitagebühren. »Diese Gespräche sind leider weitestgehend ergebnislos geblieben.« Nur die Linksfraktion hatte am 25. Mai geschlossen gegen die Gebührensatzung gestimmt. Darum bleibe jetzt nur noch eine Klage beim Oberverwaltungsgericht, erklärt Anderßen.

Rechtsanwalt Sven Hornaufs Ansatzpunkt: Die »weit überdurchschnittliche« Erhöhung sei »unangemessen«. Er möchte die Beitragssatzung für unwirksam erklären lassen. Der Anwalt rät, gegen die Beitragsbescheide schriftlich Widerspruch einzulegen und nur unter Vorbehalt zu zahlen. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Familien bei einem Erfolg der Klage ihr Geld auch zurück erhalten.

»Die neue Beitragstabelle ist eine enorme Mehrbelastung für viele Familien in unserer Stadt. Politisch ist das nicht vertretbar«, findet der Landtagsabgeordnete Matthias Loehr (LINKE), der auch Kreisparteichef ist. Seine Partei unterstützt die Klage ideell und finanziell. »Es ist erschreckend, wie sehr die Rathausspitze und die Mehrheit der Stadtverordneten ihr soziales Augenmaß verloren haben«, bedauert Loehr. Insbesondere die Einführung eines Mindestbeitrages hält er für völlig verfehlt. Dazu legt er ein aus heutiger Sicht entlarvendes Schriftstück aus dem Jahr 2013 vor. Damals riet Sozialdezernent Berndt Weiße mit Blick auf eine Neufassung der Beitragssatzung, auf die Einführung eines Mindestbeitrags weiterhin zu verzichten.

Die LINKE wolle eine »kostenfreie Bildung von Beginn an« und kämpfe auf Landesebene für die schrittweise Abschaffung aller Elternbeiträge, sagt Loehr. Die rot-rote Koalition muss sich über die Details einer Entlastung aber erst noch einigen. Loehr plädiert dafür, zunächst nicht das letzte Kitajahr vor der Schule beitragsfrei anzubieten - so hatte es in Berlin angefangen -, sondern zu regeln, dass Familien ab dem zweiten Kind nichts dazubezahlen müssen. Das wäre die sozialere Lösung, meint Loehr.

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