CSU will Täterherkunft nennen? Na dann aber konsequent!
Was passiert, wenn wir wirklich alle Herkunfts- und Hintergrundfakten über einen Tatverdächtigen nennen würden: Heilloses Durcheinander
Was passierte, würden sich das subjektive Sicherheitsgefühl und das Wort des Jahres treffen? Wenn das Bauchgegrummel sagt, im Kiez gebe es nur noch Diebstahl, Vergewaltigung und Mord – schließlich steht das tagtäglich irgendwo im Internet. Während das Sicherheitsgefühl des Einzelnen längst fester Bestandteil der Forschung von Psychologie und Soziologie ist, tun wir uns mit dem Postfaktischen schwer. Ein Begriff, der noch zu Jahresanfang allenfalls in den Kulturressorts heimisch war, erlebt gerade einen inflationären Gebrauch. Dabei stellt sich das Postfaktische als ausgezeichnete Triebfeder heraus, um das subjektive Empfinden von Sicherheit zu einem weiteren Tiefpunkt zu treiben. Wer sein Gefühl bestätigen will, Geflüchteter sei gleichbedeutend mit kriminell, der wird sein Weltbild mit den passenden Beiträgen gezielt bestätigt bekommen.
Einen Vorschlag zur Wahrheitsfindung machte dieser Tage Andreas Scheuer. Der CSU-Generalsekretär forderte, in der Berichterstattung über Verbrechen in Zukunft grundsätzlich die Herkunft der Täter zu nennen. »Um Fakten und Unwahrheiten zu trennen, müssen seriöse Medien heute alle bekannten Fakten veröffentlichen, um damit auch wilden Spekulationen Einhalt zu gebieten«, so Scheuer auf Welt.de. Der Pressekodex besagt jedoch, dass die Herkunft nur zu nennen ist, wenn zur Tat ein begründeter Sachbezug besteht. Scheuer will den Passus streichen. Kurioserweise sagt er im gleichen Interview, »die Angehörigen einer bestimmten Nationalität« dürften nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Dabei hielt sich die CSU in der Vergangenheit nicht gerade zurück, wenn es darum ging, mit postfaktischen Wahrheiten über Geflüchtete auf Stimmenfang zu gehen.
Nimmt man Scheuers Vorschlag allerdings beim Wort und blendet den Umstand aus, dass er vor allem darauf abzielt, endlich »kriminelle Ausländer« brüllen zu dürfen, ergibt sich für die Praxis einer künftigen Berichterstattung wahrhaft Groteskes. Ralf Heimann hat für bildblog.de durchgespielt, was es hieße, würden in Artikeln »alle bekannten Fakten« veröffentlicht. Im Pressekodex steht streng genommen keine Regelung zur Nennung der Herkunft, sondern über »die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten«.
Heimann erklärt, die Richtlinie solle Minderheiten vor Diskriminierung schützen, also genau das, was Scheuer wolle. Doch »wenn wir sie streichen, müssen wir auch konsequent sein. Wir können uns schlecht darauf beschränken, nur die Nationalität zu nennen. Wir müssen alle Minderheiten gleich behandeln«, fordert der Journalist. In der Praxis liest sich das in etwa so: »Ein kleinwüchsiger Wallone aus Lüttich hat am Mittwochmittag in Bochum einen Auffahr-Unfall verursacht. Der Mann ist Veganer.« Der für die Meldung zuständige Redakteur käme ins Schwitzen, stellte sich heraus, die Mutter des Wallonen ist eine Waliserin, der Vater vielleicht Schwede. Könnte alles wichtig sein. Oder nicht? Die Information wäre zumindest nicht postfaktisch, wohl aber die Schlussfolgerung, durch die Nennungen würde etwas gegen Diskriminierung getan.
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