Polizei lässt rechte Kirchenbesetzer laufen
Nazis zündeten in Dortmund Pyrotechnik auf Kirchturm und riefen rechte Parolen
Dortmund. Die nach der illegalen Besetzung des Kirchturms der Dortmunder Reinoldikirche festgenommenen Neonazis befinden sich alle wieder auf freiem Fuß. Es lägen keine Haftgründe vor, teilte die Dortmunder Polizei am Wochenende nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft mit. Pfarrerin Susanne Karmeier zeigte sich entsetzt von der Aktion: »Die Kirche ist ein Ort des Friedens, hier passen keine Neonazis hin«, sagte sie dem Internetportal Der Westen.
Die Reinoldikirche liegt im Dortmunder Zentrum, um sie herum verläuft der von vielen Menschen besuchte Weihnachtsmarkt der Ruhrgebiets-Metropole. Die Neonazis hatten Freitagabend den Kirchturm besetzt und sich dort verschanzt. An die Brüstung hängten sie ein Transparent, zudem zündeten sie Pyrotechnik auf dem Turm und brüllten rechte Parolen. Pfarrerin Karmeier sagte, wegen des Brüllens habe sie Kirchenglocken im Turm läuten lassen. Sie habe die Neonazis übertönen wollen. »Ich wusste nicht, wie ich das sonst stoppen sollte. Politische Propaganda hat hier einfach keinen Platz.«
Gemeinsam mit der Feuerwehr öffneten Polizeibeamte gewaltsam die Tür zum Kirchturm und beendeten die illegale Aktion. Der Staatsschutz nahm Ermittlungen unter anderem wegen des Verdachts des Hausfriedensbruchs, des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz, Sachbeschädigung und Störung der Religionsausübung auf.
Bei den vorläufig Festgenommenen handelt es sich um sieben Männer im Alter zwischen 24 und 38 Jahren aus Dortmund, Chemnitz, Wuppertal und Düsseldorf sowie eine 26 Jahre alte Frau aus Dortmund. Im Umfeld der Kirche wurden zudem drei Dortmunder Rechtsextremisten im Alter von 24, 32 und 61 Jahren in Gewahrsam genommen.
Der Dortmunder Pfarrers Friedrich Stiller, der auch Sprecher des Dortmunder Arbeitskreises gegen Rechtsextremismus ist, wertete die Besetzung als »klare Provokation« der Neonazis. »Wir stehen ein für ein friedliches Miteinander in Dortmund«, sagte der Pfarrer am Samstag dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Derweil forderte der Dortmunder Sonderbeauftragte für Toleranz und Demokratie, Hartmut Anders-Hoepgen, mehr Bundesmittel für das Neonazi-Aussteigerprogramm »Comeback«. »Das Geld der Stadt, die jährlich 50.000 Euro bereitstellt, reicht nicht mehr aus«, sagte er dem epd. Das Projekt müsse dringend weiter ausgebaut werden, denn die rechtsextremistische Szene in Dortmund habe ihre Aktivitäten längst über die Stadtgrenzen hinaus ausgedehnt. Er forderte das Bundesfamilienministerium auf, 200.000 Euro für den Ausbau der Beratungsarbeit bereitzustellen. »Comeback« hilft Rechtsextremen, die sich von der Neonazi-Szene lösen wollen, und leistet Präventionsarbeit. nd/Agenturen
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