Warten vor dem Tor nach Europa
Tausende Flüchtlinge wollen in Marokko die spanische Enklave Melilla erreichen
Noch schnell ein Gruppenfoto mit dem Smartphone, ein paar Selfies und Umarmungen zum Abschied. Dann geht es ab nach Europa. Eine Gruppe von 70 Afrikanern ist vor Tagen vom Flüchtlingsaufnahmelager, dem Centro de Estancia Temporal de Inmigrantes (CETI), in der spanischen Nordafrikaenklave Ceuta aus nach Spanien gebracht worden; nach Europa, dem erklärten Ziel all jener Flüchtlinge, die meist aus den Staaten südlich der Sahara nach Ceuta oder in die zweite spanische Enklave Melilla kommen.
Erst eine Woche zuvor war 436 Männern und zwei Frauen von Marokko aus der Durchbruch nach Ceuta gelungen. Sie brachen am Freitagmorgen noch in der Dunkelheit um 6.15 Uhr eines der Tore im acht Kilometer langen und sechs Meter hohen doppelten Maschendrahtzaun rund um Ceuta auf. Zwei Polizisten der Guardia Civil auf Streife wurden mit Stöcken und Steinen niedergeschlagen. In der Stadt wurden die Flüchtlinge festgenommen und ins CETI gebracht. Das ist für 400 Menschen ausgelegt, mit den Neuankömmlingen wurden es fast 1500. Deshalb beginnen jetzt Transporte aufs spanische Festland.
Die spanischen Behörden befürchten, dass es in den nächsten Tagen und Wochen erneut zum Sturm auf die Doppelzäune kommen wird. Vor allem in Melilla. Dort sammeln sich seit langem Flüchtlinge in den kleinen Wäldern des Gurugu-Hügels, leben unter Kartons und Plastikplanen. Das reiche Melilla liegt in Sichtweite. Und das Leben auf dem Gurugu wird immer unerträglicher. Denn jetzt beginnt die Schlechtwetterperiode.
In Melilla waren es in den vergangenen Nächten nur noch neun Grad, auf den Hügeln wurde es noch kälter. Und es hat begonnen zu regnen, was zumindest bis Weihnachten andauern soll. Auch tagsüber werden nur zehn, höchstens einmal 15 Grad erreicht. Was für Mitteleuropa als mild gelten würde, lässt die Flüchtlinge aus der Subsahara-Zone grau vor Kälte werden. Mit Blick auf die Festtage hoffen sie auf weniger Kontrollen an den Grenzen, wenn die ohnehin dünne Besetzung der Guardia Civil durch Weihnachtsurlaub noch geringer wird.
Dass die Feiertage bevorzugte »Sturmtage« sind, zeigte sich ja schon in Ceuta. In Spanien waren der 6. und der 8. Dezember arbeitsfrei - Verfassungstag und Mariä Empfängnis. Die so entstandene Brückenwoche nutzten auch Polizisten für einen Kurzurlaub. Der Durchbruch von Ceuta kam zeitlich ganz gezielt.
Zwar arbeiten marokkanische und spanische Grenzpolizei eng zusammen, doch beide wissen nicht genau, wie viele Flüchtlinge sich rund um Melilla verstecken. Jedenfalls sind es Tausende. Viel Verstärkung kann der neue spanische Innenminister Juan Ignacio Zoido nicht schicken. Immerhin ist der einst abgezogene Hubschrauber der Guardia Civil wieder nach Melilla verlegt worden, so dass Luftüberwachung des dort zwölf Kilometer langen Zaunes möglich ist.
Das Leben in den beiden CETI ist in Ceuta wie Melilla fast unerträglich. In seinem jüngsten Bericht hat Amnesty International Missstände angeprangert. Er ist »Im Niemandsland« überschrieben und kritisiert die viel zu enge Unterbringung, teilweise in Zelten, das Fehlen von Einrichtungen und Betreuung von Behinderten. Auch Übergriffe der Polizei werden angeprangert und Diskriminierung der Flüchtlinge je nach Herkunftsland.
Amnesty International fordert auch ein Ende der »heißen Abschiebung« der beim versuchten illegalen Grenzübertritt gefassten Flüchtlinge. Sie werden oft von der spanischen Polizei gleich an die marokkanische übergeben und von dieser sofort in Richtung ihrer vermuteten Heimatländer abtransportiert. Ob sie dort auch ankommen, gilt als offen.
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