Karate holt Jugendliche von der Straße

Mit Kampfsport werden in Südafrika überschüssige Energien kanalisiert und die Kriminalität eingedämmt

  • Anne Gonschorek, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die meisten Jugendlichen in Khayelitsha sind in die Bandenkriminalität und den Drogenmissbrauch involviert«, sagt Monwabisi Njonga. »Aber du kannst nicht einfach ›Stopp!‹ sagen und dann nichts dafür tun, um diese Lücke zu schließen.« Ein Grund ist auch Mangel an Angeboten für Jugendliche. Njonga entschloss sich deshalb dazu, dieses Problem zu ändern.

Dabei ist Khayelitsha, die riesige Armensiedlung nahe Kapstadt, gar nicht seine Heimat. Njonga wuchs in Uitenhage im südafrikanischen Ostkap in ärmlichen Verhältnissen auf. »Palayi, ein Kumpel meines Bruders, machte damals Karate und hat gesehen, wie ich immer rumturnte«, erzählt Njonga. Er war es, der ihn auf die Idee brachte, dem Karate-Dojo beizutreten. Seine Eltern, damals beide arbeitslos, konnten sich aber selbst die 5 Rand (34 Cent) für die Registrierung nicht leisten. Erst als seine Schwester in Kapstadt Arbeit fand, wurde auch für den damals etwa 12-jährigen Jungen und seine Begeisterung für Karate etwas abgezwackt - eine Investition, die sich lohnen sollte.

»Sie bringen dir bei, wie du mit Dingen umgehen musst, ob du nun viel Geld hast oder nicht: Wenn du etwas tust, dann, als ob es das erste und auch letzte Mal wäre. Man muss immer 100 Prozent geben«, erklärt er heute. Für den jungen Njonga hatten eben diese Disziplin und der Fokus des Sports eine große Anziehungskraft.

Durch harte Arbeit und ein natürliches Talent für den Sport erarbeitete sich der junge Karatekämpfer nämlich schon wenige Monate nach seiner ersten Stunde Siege in vielen Wettbewerben. Einfach hatte er es trotzdem nicht - immer noch fehlte es am nötigen Geld. »Ich musste mir damals sogar noch den Karateanzug von einem anderen Schüler borgen«, erzählt er. »Irgendwann habe ich dann aber Doppelsiege eingeholt«, sagt er.

Bei einem Besuch seiner Schwester in Kapstadt fiel ihm auf, dass in den Townships nirgendwo Karatestunden angeboten wurden und viele Jugendliche schnell in die Kriminalität abrutschten. Deshalb entschied sich Njonga 2012, seine eigene Karateschule zu eröffnen. Inzwischen sind auch die Eltern in Khayelitsha von den positiven Auswirkungen des Kampfsports überzeugt.

Das war allerdings nicht sofort so: »Sie dachten am Anfang, dass ich ihren Kindern jetzt zusätzlich auch noch das Kämpfen beibringe, weil sie Karate nicht als Sport ansahen«, erzählt Njonga. »Ich überredete also ein paar Jugendliche von der Straße, ein bisschen mit mir zu trainieren und später ihre Eltern einzuladen.« So konnte er ihnen zeigen, worum es für ihn bei Karate eigentlich geht: Fokussierung. Disziplin. Selbstbewusstsein. »Später sahen sie dann, dass auch Zuhause die Disziplin besser wurde«, sagt der Sensei, wie der Meister in japanischen Kampfkünsten genannt wird. Diese Wirkung auf die Jugendlichen habe dann das Ruder herumgerissen.

Inzwischen hat Njonga eine ganze Fitness Akademie unter seinem Namen und drei verschiedene Einrichtungen in den Townships. Für eine monatliche Gebühr von 100 Rand (knapp sieben Euro) können Jung und Alt zu seinen täglichen Karatestunden kommen. Und das tun sie auch, trotz des verhältnismäßig hohen Preises: Etwa 100 Kunden sind inzwischen angemeldet. »Ich will den jungen Schülern beibringen, wie sie sich selbst verteidigen können und, noch wichtiger, wie sie gefährliche Situationen vermeiden können«, erklärt Njonga.

Geld ist trotz dieses Erfolges nach wie vor ein Problem. Denn wie bringt man Top-Karate-Schüler aus den Townships zu den Wettbewerben, etwa den National Championships in Johannesburg, wenn sie sich kaum den Unterricht leisten können? Deshalb hat Njonga nun staatliche Zuschüsse beantragt. Vor allem ist es aber sein uneingeschränkter Enthusiasmus, der alles voranzutreiben scheint: »Township rocks!« (Das Township ist Klasse!) heißt sein Slogan. »Wir können die Situation ändern, wenn wir zusammenarbeiten«, glaubt er.

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