Terroristen wollen uns alle treffen
Die Behörden der Hauptstadt verschärfen nach dem Anschlag die Sicherheitsmaßnahmen
Berlin trägt seit Dienstag Trauer. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat angeordnet, dass die Flaggen auf allen Dienststellen und öffentlichen Gebäuden auf Halbmast zu setzen sind. Ruhig, wenn auch erschüttert, und zugleich entschlossen präsentierte der neuernannte Senator vor der Presse im Roten Rathaus die ersten Maßnahmen. Die Verantwortlichen der Hauptstadt stehen vor der ungeheuerlichen Herausforderung, Antworten auf den menschenverachtenden Anschlag vom Montagabend auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche zu finden.
»Die Terroristen wollen uns alle treffen«, erklärte der Innensenator. »Wir dürfen uns aber nicht vorschreiben lassen, wie wir leben, denken, glauben sollen.« Der Anschlag habe gezeigt, dass die Gesellschaft verwundbar sei. Dennoch richtete er an die Berliner die Bitte, ihre Lebensart gerade jetzt nicht zu verändern und sich den Mut nicht nehmen zu lassen.
Zuvor hatte auch der Regierende Bürgermeister, Michael Müller (SPD), von einem »Anschlag auf unser aller Freiheit und unser Leben« gesprochen, der jeden Einzelnen hätte treffen können. Ausdrücklich hatte er »allen, die die Situation so schnell beherrscht haben«, gedankt - vor allem den Einsatzkräften von Feuerwehr und Polizei sowie den Ärzten und Mitarbeitern der Berliner Krankenhäuser. »Es kann aber Berlin nicht geben ohne das friedliche Zusammenleben von Menschen aller Kulturen, Religionen und Lebensarten.«
Die Sicherheitskräfte in der Stadt seien, wie sich gezeigt habe, gut aufgestellt, stellte Innensenator Geisel klar. Das habe die kurze Reaktionszeit gezeigt. Zwischen der ersten Meldung vom Anschlagsziel 20.02 Uhr, der Alarmierung 20.04 Uhr und dem Eintreffen der ersten Einsatzkräfte vor Ort seien nur wenige Minuten vergangen.
Angesichts der neuen Lage sei beschlossen worden, die Polizeipräsenz in der Stadt deutlich und sichtbar zu erhöhen. Geisel erklärte, dass er das am Morgen auf einer Telefonkonferenz der Innenminister der Länder von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) unterbreitete Angebot, die Berliner Polizei personell zu unterstützen, angenommen habe. Ebenfalls am Morgen wurden die Veranstalter aller 60 Berliner Weihnachtsmärkte gebeten, am Dienstag angesichts der Opfer aus Pietätsgründen ihre Märkte geschlossen zu halten. Zudem würden ab sofort an Weihnachtsmärkten und bei sonstigen Großveranstaltungen Polizeibeamte in den Eingangsbereichen postiert. Zudem wurden Berliner und Gäste der Stadt, die Bilder oder Filme von dem Anschlag haben, aufgefordert, diese der Polizei zur Auswertung zu übergeben.
Der Senator versicherte den Berlinern: »Die Silvesterfeier findet statt. Wir werden aber das Sicherheitskonzept noch einmal überarbeiten.«
Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt würdigte den Einsatz der Beamten vor Ort, die binnen kurzer Zeit den Anschlagsort gesichert und abgesperrt sowie die Spurensicherung aufgenommen hatten. Zudem sei sehr bald ein erster Tatverdächtiger festgenommen worden. Ob es sich dabei um den Fahrer des zum Anschlag benutzten Trucks handelt, wollte Kandt nicht bestätigen. Am Rande der Pressekonferenz sagte er: »Wir gehen davon aus, dass es nur einen Fahrer gab, entweder ist es der Mann, den wir gefasst haben, oder nicht. Das klären wir gerade. Die Lage ist unklar.«
Laut Kandt hat sich die im November getroffene Einschätzung bestätigt, wonach die Gefährdungslage in der Stadt ernst sei und auch Weihnachtsmärkte potenziell gefährdet seien. Die Sicherheitslage habe sich nicht entspannt und werde noch länger so bleiben. Man werde nun vor Weihnachtsmärkten in Berlin Steinbarrieren errichten - eine Maßnahme, die für den Bereich um die Gedächtniskirche vor dem Anschlag nicht vorgesehen war. In den Eingangsbereichen sollen ab sofort bewaffnete Beamte in Schutzwesten »robuste Präsenz« zeigen. Für das Hertha-Spiel an diesem Mittwoch im Olympiastadion würden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Man kooperiere eng mit der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt.
Wie Berlins Generalstaatsanwalt Ralf Rother informierte, habe er von Anfang an im engen Kontakt mit dem Generalbundesanwalt gestanden. Dieser habe am Dienstag um 8.15 Uhr das Verfahren an sich gezogen.
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