Schwarz, setzen!

Bernd Zeller über den Versuch, ein pädagogisches Prinzip zu revolutionieren - und über die Glaubwürdigkeit der Sache

  • Bernd Zeller
  • Lesedauer: 3 Min.

Unser heutiger Bericht möchte einen reformpädagogischen Ansatz aus der Schweiz vermitteln, der auch für Berlin und den Rest der Bundesrepublik ein Modell sein könnte, womit nicht gemeint sein soll, dass er schlecht ist.

Der Kurznachrichtendienst spiegel.de hat die Information verbreitet, dass ein Lehrer in der Schweiz zum Zwecke der Vermeidung von Frustration keine Noten mehr vergibt, sondern Farben.

Da fragt man sich natürlich zuerst: Woher hat er so viele Farben? Dies wäre bei uns nicht das Problem; gestrichen werden die Schulen sowieso nicht, da bliebe genug übrig.

Als nächstes fragt man sich, wieso vorher noch niemand darauf gekommen ist, um sogleich die Antwort zu finden: weil es eben eine grenzgeniale Idee ist. Keine Noten geben können alle, nur gute Noten geben ist auch noch möglich, wenn man Ärger vermeiden will - aber die Noten durch Farben zu ersetzen, gibt sowohl Lehrern als auch Schülern das Gefühl, keinen Grund für Frust zu haben.

Und das ist es, worum es letztlich geht. Man könnte auch Frustpunkte vergeben. Sodann könnte man den erreichten Frust am Frustpotenzial messen, um festzustellen, dass alles bestens läuft. Bestens, das klingt nun wieder nach Leistung und demzufolge nach Druck, es läuft dann eben grün. Dagegen kann keiner was haben, zumal es in der Bildungspolitik schon seit Jahrzehnten grün läuft, politisch ausgedrückt. Die Grünen hätten dann diesen intellektuellen Schritt zur Befärbung statt Benotung auch noch vollziehen können, wären sie nicht zu grün dafür gewesen.

Es gibt keine schlechten Farben, gute allerdings auch nicht, so dass sich niemand dem Vorwurf aussetzen muss, Streber zu sein.

Ob dieses Nichtbewertungssystem voraussetzt, dass die Schüler die Farben kennen, wurde nicht mitgeteilt. Man kann aber annehmen, dass die Farbe an sich dem Schüler nicht abnötigt zu wissen, wie sie heißt. Ein anderes Problem würde sich bei uns stellen und dürfte nicht unterschätzt werden: nämlich die nach geschlechterübergreifender oder individueller Befärbung unter Berücksichtigung körperlicher Merkmale. Viele Schulkinder kommen noch mit einem gesellschaftlichen Konstrukt in die Schule, das heißt, sie haben sich aus Unkenntnis einreden lassen, Junge oder Mädchen zu sein. Diese Unterscheidungen sind rein soziale Kategorien, in der Natur kommt so etwas nicht vor; die Tiere haben noch nie was von Hormonen und Keimzellen gehört. Nur die menschliche Gesellschaft weist Rollenbilder zu.

Unterrichtskräfte und Schulpoltikmachende stünden vor dem Dilemma, mit den Gegebenheiten umzugehen, obwohl diese ihrer soziologischen Überzeugung widersprächen. Praktisch hieße das: Soll man den Mädchen Rosa geben? Und soll man den Jungen Rosa geben, dann eben doch wieder als frustrierende Ersatznote? Eine Beschränkung auf Grundfarben scheint geboten.

Der Einwand, Synästhesisten würden diskriminiert, weil sie Farbempfindungen auch hören oder schmecken, kann außer acht gelassen werden, da sie auch die Noten hören oder als Farben wahrnehmen. Hier würde nur der Effekt einsetzen, dass diejenigen, denen gelb zu laut wäre oder eine schlechte Note bedeuten würde, obwohl ein Gelb ganz gut bedeutet, gelb vermeiden beziehungsweise eine Farbe mit entsprechender Gefühlsregung. Aber dies träfe auf die Benotung mit Ziffern genauso zu.

Auch wenn sich diese Neuerung nicht sofort bei uns durchsetzen sollte, können wir immerhin froh sein, es nicht mit sogenannten Fake News zu tun zu haben. Früher hätte man eine solche Meldung schlichtweg nicht geglaubt. Inzwischen rühmen sich die Medien damit, dass ihre Benutzer vor gefälschten Nachrichten sicher sind, weil die Politik dagegen vorgeht. Wir könne also sicher sein, dass spiegel.de nicht auf einen Fake hereingefallen ist, weil das ja verboten wäre.

Erinnern wir uns: Albert Einstein hatte auch nur ein Grün in Mathematik.

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