Intrigen unter großen Hüten

Im Kino: »Love & Friendship« von Whit Stillman ist ein großes Vergnügen

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Vampirfrau Selene aus der Action-Filmreihe »Underworld« mag Kate Beckinsales bekannteste Rolle sein, aber eigentlich ist die Britin zur Darstellung von Jane-Austen-Heroinen geboren. Ihre Emma Woodhouse in der Fernsehverfilmung des Austen-Klassikers »Emma« (in der Andrew-Davies-Adaption, ungleich interessanter als die Kinofassung mit Gwyneth Paltrow) gehört zu den besten Einzelleistungen aller Austen-Verfilmungen. Und da ist die Messlatte hoch.

Zwanzig Jahre nach »Emma« leiht Beckinsale nun noch einmal einer Austen-Heldin perfekte Diktion, kühle Arroganz und spitze Zunge, und wieder ist ihre Rolle eine der unsympathischeren unter Austens Figuren. Aber während Emma, Titelheldin des längst kanonisierten Spätwerks, jung und formbar genug war, ihre intellektuelle Überheblichkeit und das unselige Heiratsstiften aufzugeben und auch sonst ein paar Fehler abzulegen, ist Lady Susan Vernon aus Austens posthum veröffentlichtem frühen Briefroman »Lady Susan« eine unverbesserliche Egomanin.

Verwitwet, verarmt, mit einer Tochter im eben heiratsfähigen Alter und selbst dem guten Leben zugeneigt, hat Lady Susan außer Schönheit, Intellekt und einer unmoralischen Skrupellosigkeit wenig Boden, auf den sich ein Luxusleben gründen ließe. Selbstsucht und Sinnlichkeit (wie man sie einer Frau zu Austens Zeiten noch lange nicht zubilligte) sind ihre vorstechenden Eigenschaften. Ein massiver Balken, kein zierlicher Splitter im Auge also, aber Susans Empörung ist trotzdem groß, wann immer andere es wagen, ihren lust- und gewinnorientierten Intrigen in die Quere zu kommen.

Vorrangiges Opfer dieser Intrigen war zuletzt die reiche, aber auch reichlich hysterische Gattin eines gut aussehenden (und extrem schweigsamen) Adligen, mit dem Lady Susan eine Liebschaft pflegt. Als diese auffliegt und man sie des Landsitzes verweist, erwischt’s dann ihre junge Tochter, Frederica. Die wird erst in eine höhere Schule entsorgt, die Lady Susan sich gar nicht leisten kann (jedenfalls nicht, ohne auf diverse Gönner Rückgriff zu nehmen), und soll dann einen reichen, aber dümmlichen jungen Mann ehelichen, der eigentlich der kleinen Schwester von Lady Susans Lover zugedacht war.

Dieser Sir James Martin, von Tom Bennett als Vollpfosten mit fröhlicher Unbekümmertheit und nichts als den allerbesten Absichten gespielt, droht gelegentlich, nicht nur Lady Susans hübschem neuen Galan, ihrer engelsgleichen und besorgten Schwägerin (und allemal dem fürsorglichen Schwager) den Rang abzulaufen, sondern auch Beckinsales ungerührt selbstsüchtiger Anti-Heroine selbst. Jedenfalls ist er es, der mit kindlichem Staunen die unbeabsichtigten Bonmots prägt, die man aus diesem Film mitnimmt - höhere Landwirtschaft war selten so erbaulich, und Erbsen wird man wohl auch nie wieder ohne ein Schmunzeln essen.

Für Chloë Sevigny, Schauspielerin, New Yorker Stilikone und zusammen mit Beckinsale Ende der 90er Jahre Protagonistin von Filmemacher Whit Stillmans Club-Zeitgeist-Drama »Last Days of Disco«, wurde die Rolle von Lady Susans Busenfreundin zur Amerikanerin umgeschrieben. Wenn deren Ehemann im Film mal wieder mit der Freundschaft seiner Gattin zur unmoralischen Lady Susan hadert, kann er jetzt die Drohung aus Austens Vorlage, die unbotmäßige Gattin auf den Landsitz der Familie zu verbannen, mit etwas noch ungleich Erschröcklicherem toppen: sie demnächst in ihr heimisches Connecticut zurückzuschicken.

Whit Stillman, bisher als Chronist US-amerikanischer Ostküsten-Städter bekannt, war zwar schon mehrfach gefragt worden, ob er nicht endlich Austen verfilmen wolle, tut dies mit dem lange aufgeschobenen »Love & Friendship« aber nun zum allerersten Mal. Die Schauwerte sind so gut wie eh und je bei Austen-Adaptionen: die Landsitze herrschaftlich (und aus produktionsimmanenten Gründen allesamt irisch), die Garderoben spektakulär, die Hüte riesig. Moral, Sitte und Anstand verlieren (fast) jedes Scharmützel und am Ende auch die große Schlacht, aber mit anderthalb Ausnahmen sind deshalb trotzdem alle besser dran als vorher. Ein Vergnügen.

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