Bericht: Entlasteter Attentat-Verdächtiger misshandelt
Pakistani beschuldigt Polizei im britischen »Guardian«, ihn geschlagen zu haben / Polizei weist Vorwürfe zurück
Berlin. Der unmittelbar nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt festgenommene und dann wieder freigelassene Pakistaner Naveed B. beschuldigt die Polizei, misshandelt worden zu sein. Das schreibt die britische Zeitung »The Guardian«, die nach eigenen Angaben mit dem zunächst Verdächtigten gesprochen hat.
»Er erinnert sich daran, dass zwei Polizisten die Hacken ihrer Schuhe in seine Füße gruben, und dass einer mit einer Hand großen Druck auf seinen Nacken ausgeübt hat«, heißt es in dem Artikel. Als er sich später gegen Fotos und Entkleidung gewehrt habe, hätten sie ihn geschlagen.
Laut »Guardian« hat B. mit dem Blatt gesprochen, um bekannter zu machen, dass er unschuldig sei. Er fürchte in Deutschland um sein Leben, nachdem sein Name im Zusammenhang mit dem Anschlag verbreitet worden sei. Außerdem sei seine Familie in Pakistan von Sicherheitskräften kontaktiert worden. Es habe Drohnanrufe gegeben.
Der Mann stammt aus der armen und unruhigen Provinz Baluchistan. Dort sind viele Extremistengruppen aktiv, unter anderem Separatisten, die für mehr Unabhängigkeit kämpfen. Menschenrechtsaktivisten sagen, der Staat lasse regelmäßig Menschen verschwinden. B. war laut »Guardian« für eine der Gruppen für Baluchistans Unabhängigkeit politisch aktiv gewesen. Dafür habe er Todesdrohungen erhalten.
Polizei weist Vorwürfe entschieden zurück
Die Berliner Polizei wies die Vorwürfe entschieden zurück, einen nach dem Terroranschlag Festgenommenen misshandelt zu haben. »Das hat nicht den Hauch von Substanz«, sagte der Sprecher der Berliner Polizei, Winfrid Wenzel, am Freitag. »Der Mann ist definitiv von keinem Mitarbeiter misshandelt worden.« Die Polizei sehe sich in ihrer Arbeit diskreditiert. »Das tut uns richtig weh.«
Laut Sprecher Wenzel hat die Polizei nach Veröffentlichung des Interviews am Freitag mit dem Pakistaner - mit Hilfe eines fachkundigen Dolmetschers - zu dem Fall gesprochen. Der Mann habe selbst betont, dass er weder geschlagen, misshandelt oder verletzt worden sei.
Vielmehr habe sich der Mann dankbar für die Unterstützung gezeigt. So seien eine neue Unterkunft und Kleidung organisiert worden. Zudem könne er jederzeit anrufen, wenn er sich bedroht sehen sollte. Auch gebe es seit Tagen einen »sehr guten, wechselseitigen Kontakt«.
Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft im Beamtenbund, Rainer Wendt, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland: »Es ist völlig ausgeschlossen, dass Beamte Verdächtige schlagen.« dpa/nd
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