Der «Bananen-Mann» wird Präsident
Haitianer warten auf das offizielle Endergebnis
Die Wahlen liegen bereits sechs Wochen zurück, der Sieger steht eigentlich schon fest, doch ein offizielles Endergebnis steht aus: Die Wahlkommission in Haiti hat es für den 3. Januar in Aussicht gestellt.
In der immer noch chaotischen Situation nach dem Wirbelsturm «Matthew» fanden die mehrfach verschobenen Präsidentschaftswahlen am 20. November endlich statt - mehr als ein Jahr nachdem der erste Versuch nachträglich per Gericht wegen Unregelmäßigkeiten annulliert wurde.
Die Politikmüdigkeit in Haiti ist unverkennbar: 79 Prozent der 5,8 Millionen Wahlberechtigten verzichteten auf ihre Stimmabgabe. Es siegte Jovenel Moïse von der Tet Kale Parti, der Kahlkopfpartei des vorigen Präsidenten Michel Martelly. Auf Moïse entfielen laut vorläufigem Endergebnis 55 Prozent der abgegebenen Stimmen. Damit wurde die erwartete Stichwahl obsolet. Das brachte die Anhänger seines ärgsten Widersachers, Jude Celestin (19 Prozent) von der Alternativen Liga für Fortschritt und Emanzipation Haitis, auf die Barrikaden. Wenn das endgültige Wahlergebnis verkündet werden wird, kann es durchaus wieder zu lautstarken Protesten kommen.
Der 48 Jahre alte Jovenel Moïse trägt den Spitznamen «Bananen-Mann», weil er aus einer Familie stammt, die ihren Wohlstand dem Handel mit Südfrüchten verdankt. Wie ernst seine Ankündigung zu nehmen ist, sich vornehmlich um die Anliegen der Bedürftigen zu kümmern, wird sich zeigen. Immerhin leben rund 80 Prozent der elf Millionen Haitianer unter oder an der Armutsgrenze. Die einstige «Perle der Antillen» gilt heute als das «Armenhaus der Karibik».
Die Zeitung «Le Nouvelliste» fragte nach weiteren Ursachen der schockierend niedrigen Wahlbeteiligung und kam zu dem Schluss, dass die Mehrheit der Bürger politikverdrossen ist und es satt hat, sich im Radio und Fernsehen das Geschwätz der Parlamentarier anzuhören. Die Masse der Bevölkerung müsse sich täglich mit «Hunger, Kriminalität, Arbeitslosigkeit, Korruption, Misswirtschaft und Straffreiheit herumschlagen». Den deutlichen Sieg Moïses erklärt das Blatt damit, dass er die am besten finanzierte Wahlkampagne gemacht habe und am professionellsten aufgetreten sei. Der Bananen-Mann« habe sich als sympathisch und intelligent präsentiert. Es bleibe zu hoffen, dass er »anständig, offen und transparent handeln wird.« Allerdings sind solche Hoffnungen bislang nie in Erfüllung gegangen.
Der Hurrikan »Matthew« war die vorläufig letzte Krise in Haiti, das sich die Insel Hispaniola mit der Dominikanischen Republik teilt. Der Abschaffung der Sklaverei und der Erringung der Unabhängigkeit am 1. Januar 1804 folgten unzählige innere Kämpfe um die Vorherrschaft, ständige Interventionen Frankreichs, Spaniens, Großbritanniens und der USA. 1914 mischten sich sogar deutsche Kanonenboote ein. Es folgten Diktaturen vom Schlage des Duvalier-Klans, der sich über Jahrzehnte mit Hilfe der berüchtigten Banden der Tontons Macoutes an der Macht hielt. Die Bevölkerung erlebte insgesamt 32 Staatsstreiche und wiederholte politische Unruhen. Das alles behinderte die wirtschaftliche Entwicklung und touristische Aktivitäten. Dazu kamen häufige Wetterunbilden, Wirbelstürme mit verheerenden Niederschlägen, Dürren und Erdbeben. Der »Bananen-Mann« tritt ein schweres Erbe an. hil
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