Kunstverein mit Tradition

Die Jubiläumsausstellung des Vereins der Berliner Künstlerinnen 1867 e.V. zeigt, welche emanzipatorischen Marksteine vor 150 Jahren gesetzt wurden

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Ausstellung in den Räumen der Camaro-Stiftung stellt eine spektakuläre Rückkehr dar. Bis 1911 befand sich just in den Räumen, die die Stiftung zum Gedenken des Künstlerpaares Alexander und Renata Camaro 2009 erwarb, die Mal- und Zeichenschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen. Die war sogar das kulturpolitische Herzstück des Vereins. Denn in Zeiten, in denen Frauen der Zugang zur Akademie verweigert wurde, in denen sie nicht wählen und ohne Erlaubnis der Ehemänner oder Väter auch keiner beruflichen Tätigkeit nachgehen konnten, diente die Schule der professionellen Ausbildung als Künstlerin. Herausragende Gestalten wie Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker erhielten hier ihre Ausbildung, Kollwitz noch an einem anderen Standort der Schule, Modersohn-Becker aber schon in dem eigens errichteten Gebäude in der Potsdamer Straße.

Kollwitz kehrte später als Lehrerin zurück und wirkte in dem Malsaal, der aktuell die Ausstellung beherbergt. Bis zu 400 Schülerinnen jährlich hatte die Schule, Tausend Mitglieder zählte der Verein in Hochzeiten. Zu den Gründungsmitgliedern - Frauen allein durften damals auch noch keine Vereine ins Leben rufen - gehörten der Industrielle Werner von Siemens und der Sozialpolitiker Wilhelm Adolph Lette, der ein Jahr zuvor die später nach ihm benannte vorbildhafte Berufsausbildungsstätte für Frauen gegründet hatte.

Dank enger Beziehungen zum preußischen Hofe - Kronprinzessin Victoria war selbst Malerin, Kaiser Wilhelm I. ließ mehrfach Werke von Künstlerinnen des Vereins erwerben - gab es ab 1875 auch eine städtische Bezuschussung. Die Unterstützung durch den »Kartätschen-Prinzen« Wilhelm - dieser beteiligte sich aktiv an der Niederschlagung der 1848er Revolution - und das Wirken der sozialistischen Künstlerin Käthe Kollwitz im gleichen Verein wirken aus heutiger Sicht paradox. Sie zeigen aber auch die historische Bedeutung des Künstlerinnenvereins.

Von Kollwitz ist in der aktuellen Ausstellung ihr Zyklus zum Weberaufstand zu sehen. Interessant an ihrer Darstellung der »Sweat Shops« des späten 19. Jahrhunderts ist, dass sie sich eben nicht auf die Elendsdarstellungen beschränkte, wie das Gros der gegenwärtigen sozialkritischen Kunst, sondern den Moment von Auflehnung und Empörung auswählte. Kollwitz’ Einfluss im Verein der Berliner Künstlerinnen lässt sich an der gegenüber liegenden Wand ablesen. Sella Hasse widmete ihren Zyklus von Linolschnitten mit dem Titel »Rhythmus der Arbeit« (1912-1916 entstanden) Kollwitz. Der Alltag von Müllmännern, Gleisbauarbeiterinnen und Werftarbeitern war hier in dynamischen schwarzen Strichen festgehalten.

Auch andere wichtige Künstlerinnen wie etwa Hannah Höch, Lotte Laserstein und Renée Sintenis sind mit Arbeiten in der Ausstellung vertreten. Der jetzigen Vereinsvorsitzenden Ute Gräfin von Hardenberg war aber auch wichtig, weniger bekannte oder inzwischen vergessene Künstlerinnen wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. So freute sie sich zur Ausstellungseröffnung über zwei Figuren von Sophie Wolff, einer wahrscheinlich 1944 umgekommenen Künstlerin aus dem Kreis der Berliner Secession, die vor kurzem auf einem Dachboden in Polen gefunden wurden und wohl zum allerersten Mal öffentlich gezeigt werden.

Nachdem in der Weimarer Republik Frauen der Zugang zur akademischen Ausbildung gewährt wurde, verlor der Verein ab den 192023 Jahren an Bedeutung. Die Mal- und Zeichenschule, die zur Kaiserzeit aufgrund der besseren Honorare sogar Lehrer von der Akademie abwerben konnte, wurde kleiner. Vorbildhaft allerdings war die Einrichtung einer Darlehens- und Unterstützungskasse bereits 1871 und einer Pensionskasse 1885. Zum Vergleich: Erst ein ganzes Jahrhundert später, 1983, wurde die Künstlersozialkasse als Absicherung künstlerisch tätiger Menschen ins Leben gerufen. Aktuell erfährt der Verein eine kleine Renaissance. Von elf Mitgliedern 2014 hat er sich laut Hardenberg auf gegenwärtig 30 Künstlerinnen vergrößert. Er gibt seit 1990 zudem in einst unregelmäßigen und jetzt regelmäßiger werdenden Abständen den Marianne Werefkin-Preis heraus. Letzte Preisträgerin (2015) ist Isa Melsheimer.

Die Rückblicksausstellung in den Räumen der Camaro Stiftung, die Werke bis 1945 enthält, wird im nächsten Jahr mit drei Ausstellungen in der Kommunalen Galerie Berlin, der Alten Feuerwache und der Zitadelle Spandau fortgesetzt und reicht dann auch bis in die Gegenwart.

Camaro-Stiftung, Potsdamer Straße 98 a; bis 24.3.17, Di-Sa, 13-17, Mi, 13-20 Uhr; www.vdbk1867.de

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