Der Preis für das Gas: Kopfschmerz, Frühgeburten, Krebs
Immer mehr wissenschaftliche Studien deuten auf einen Zusammenhang zwischen Fracking und Krankheiten hin - auch wenn die Experten sich vorsichtig äußern
Fracking kann Vorkommen an Trinkwasser »unter bestimmten Bedingungen beeinträchtigen«. Das erklärte im Dezember 2016 die US-Umweltbehörde EPA und bestätigte Gegner der Technologie so in ihrer Skepsis. Noch 2015 hatte die EPA keine Beweise gesehen, dass Fracking systematisch das Grundwasser verunreinige.
Es ist längst nicht die einzige Studie, die fürchten lässt, dass Fracking der Gesundheit schadet. Forscher der Johns Hopkins Universität fanden etwa Indizien, dass Gasförderung das Risiko für Frühgeburten und komplizierte Schwangerschaften erhöht. Die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt steige nahe den Bohrungen um 40 Prozent. Man wisse nicht genau, auf welche Weise Gasförderung und Frühgeburten zusammenhängen, erklärt der Studienleiter: »Aber ein Zusammenhang ist eindeutig da.«
Auch neurologische und Herzerkrankungen seien »signifikant höher in Gebieten mit Fracking«, heißt es in einer anderen Studie der Universität Pennsylvania sowie der Columbia Universität. Das Risiko einer Herzerkrankung stieg demnach nahe an Bohrungen um 27 Prozent. Auch hier äußern sich die Forscher vorsichtig und betonen, ihre Studie sage nichts über Ursache und Wirkung. Das Ergebnis lege es aber nahe, »Gesundheitskosten in den ökonomischen Nutzen der unkonventionellen Gasförderung einzurechnen«.
Ein Grund für erhöhte Krebsraten in Förderregionen könnte frei werdendes Benzol sein. Forscher der Universität Albany ließen Bürger an elf Orten mit Gasförderung jeweils dann Luftproben nehmen, wenn bei ihnen Symptome wie Übelkeit, Schwindel oder Kopfschmerzen auftraten oder die Anlagen auf Hochtouren liefen. Die Hälfte der Proben lag über den Grenzwerten der EPA. Bei Benzol maß man das bis zu 770 000-Fache des Normalwertes. Bei Formaldehyd waren die Messwerte um das 30- bis 240-Fache erhöht. »Das ist ein nennenswertes Risiko für die öffentliche Gesundheit«, sagte ein beteiligter Wissenschaftler. Die Krebsraten würden sich in zehn oder fünfzehn Jahren »beinahe sicher« erhöhen. Eine andere Studie vom Mai 2015 wies auch auf erhöhte Werte bei Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) hin, die ebenfalls Krebs auslösen können. Eine Autorin sagte: »Luftverschmutzung durch Fracking könnte ein unterschätzte Gesundheitsgefahr für die in der Nähe lebenden Menschen darstellen.«
Dass beim Fracking verwendete Chemikalien Krebs auslösen können, hat eine Studie gezeigt, die Forscher aus den USA und China im Januar 2016 veröffentlichten. Deren Titel »Bösartige Veränderung menschlicher Zellen durch Lagerstättenwasser der Marcellus Schiefergas Formation« bezieht sich auf eines der größten Gasfördergebiete der USA im Gebirgszug der Appalachen. Für die Studie wurde Bohrwasser in Mäuse injiziert. Bei fünf von sechs Tieren entstanden Tumore. Es handle sich um die »erste Studie, die verbreitete Befürchtungen zur Krebs auslösenden Wirkung der Verschmutzung durch Fracking bestätigt«, urteilte das Online-Portal Greenmedinfo.com.
Solche beängstigenden Studien sind nicht mehr die Ausnahme. Eine Metastudie, die im April 2016 erschien, verglich 685 Studien zu Fracking. 84 Prozent davon zeigten Gefahren für die öffentliche Gesundheit in Gebieten mit Fracking. Immer wieder stieß man auf Ergebnisse, wonach sich Erkrankungen von Herz, Haut und Atemwegen häufen, vermehrt Schwindel, Kopfschmerz und Übelkeit auftritt, Frühgeburten oder ein erhöhtes Risiko von Krebs zu verzeichnen ist. Auch diese Studie warnt zwar: »Correlation doesn’t necessarily equal causation«; eine auffällige Beziehung sage noch nichts über Ursache und Wirkung. Gleichwohl sieht sie Gefahren, die »in der Natur der Sache liegen und vom schieren Ausmaß der Förderung bedingt« seien.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.