Herero und Nama verklagen Deutschland wegen Völkermordes
Opfervertreter fordern Entschädigung für Genozid und Beteiligung an deutsch-namibischen Verhandlungen
Vertreter der Volksgruppen der Nama und Herero haben am Donnerstag (Ortszeit) in New York eine Sammelklage wegen des Genozids der kaiserlichen Kolonialtruppen im heutigen Namibia eingereicht. Zwischen 1904 und 1908 hatte die deutsche »Schutztruppe« im damaligen Deutsch-Südwestafrika einen Vernichtungskrieg gegen die Nama und die Herero geführt. Bis zu 100 000 Menschen wurden getötet, erstmals ermordeten Deutsche ihre Opfer dabei auch in Konzentrationslagern. Die Nachfahren fordern nun Reparationen - und eine Beteiligung an den seit mehr als vier Jahren laufenden Verhandlungen zwischen Namibia und der Bundesrepublik.
»Innerhalb der deutschen Grenze wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen«, hatte der deutsche Gouverneur und »Schutztruppen«-Oberfehlshaber Lothar von Trotha am 2. Oktober 1904 verlauten lassen. Den auf seinen Vernichtungsbefehl folgenden Genozid wollte die deutsche Bundesregierung jedoch bis 2015 nicht als solchen anerkennen. Die offizielle Begründung: Das entsprechende UN-Statut wurde erst 1951 verabschiedet - und weil Völkermord vorher nicht definiert war, könne es auch keinen gegeben haben.
Erst im Juli 2016 fand der Begriff Eingang in ein offizielles deutsches Regierungsdokument. Die Bundesregierung äußerte die Absicht, sich bei den Herero und Nama entschuldigen zu wollen. Weil die namibischen Volksgruppen jedoch darauf bestehen, eine Entschuldigung nur in Verbindung mit Reparationszahlungen anzunehmen, steht eine entsprechende Resolution des Bundestags bis heute aus. »Aus der Verwendung des Begriffs ›Völkermord‹ folgt nach Auffassung der Bundesregierung keine Rechtspflicht«, unterstrich der Sonderbeauftragte für den Dialog mit Namibia, Ruprecht Polenz, erst am Montag in einem Interview der Deutschen Welle die Weigerung Berlins, die Nachfahren der Opfer zu entschädigen. Die Bundesregierung verweist stattdessen auf deutsche Entwicklungshilfezahlungen an die namibische Regierung.
»Es gibt keine Sicherheit, das von der angebotenen Finanzhilfe Deutschlands tatsächlich etwas bei den indigenen Minderheitengemeinden ankommt, die direkt betroffen waren«, erklärte der Anwalt der Nama und Herero in einem am Donnerstagabend vom britischen »Guardian« online veröffentlichten Artikel. Es könne zudem »keine Verhandlungen oder Abkommen über« die Herero und Nama geben, »die ohne sie gemacht« würden. Seine Volksgruppe habe lange versucht, den diplomatischen Weg zu beschreiten, damit aber nichts erreicht, begründete der oberste Herero-Chief.
Vekuii Rukoro gegenüber der Tageszeitung »The Namibian« die Klage. Der Bundesregierung warf er vor, »wie ein Strauß den Kopf in den Sand zu stecken und unser Volk und unsere Regierung zu verachten«.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.