US-Demokraten im Richtungsstreit
Sanders- und Clinton-Flügel kämpfen um ihre Kandidaten für den Parteivorsitz
Das Democratic National Committee (DNC), das Führungsgremium der Demokratischen Partei der USA, stellt grad ein Spezialteam zusammen, das den designierten Präsidenten Donald Trump unter Druck setzen, die künftig regierenden Republikaner in Sachfragen bedrängen und sich der Kontroverse um Cyberangriffe Russlands zur Beeinflussung der Präsidentschaftswahl 2016 widmen soll. Weitere Schwerpunkte sind mögliche Interessenkonflikte zwischen dem Unternehmer und Politiker Trump sowie die Vorbehalte gegen mehrere von ihm nominierte Kabinettsmitglieder, die vom Senat bestätigt werden müssen.
Das von der »Washington Post« als »War Room« (Kommandozentrale) bezeichnete Team werde von Mitarbeitern aus Hillary Clintons Wahlkampf besetzt und zunächst von John Neffinger geleitet, ein Medienstratege und Chef des Franklin Forums. Ihm zu Seite stehen die Veteranen der Clinton-Kampagne Zac Petkanas und Adrienne Watson. Beide waren im Wahlkampf der gescheiterten Präsidentschaftskandidatin damit betraut, die rassistischen und diskriminierenden Äußerungen Trumps in Angriffe gegen ihn selbst zu kehren.
Der »War Room« soll mit anderen Organisationen der Demokraten zusammenarbeiten, darunter dem Center for American Progress, das für Clinton Geld gesammelt hatte, und besonders mit dem neuen Fraktionschef der Demokraten im Senat, Charles Schumer (New York), dem großes Gewicht in den Auseinandersetzungen zwischen Präsident und Kongress zuwächst.
Die Organisation der Einsatzzentrale gehört zu den Anstrengungen der Demokraten, nach der November-Niederlage wieder Tritt zu fassen. Sie gehen mit scharfem Richtungsstreit um die künftige Linie der demoralisierten und personell ausgezehrten Partei einher. So beklagen etwa jüngere Demokraten seit Jahren einen Mangel an Aufstiegschancen. Tatsächlich sind die drei Führungsleute in der Spitze des Abgeordnetenhauses alt: Nancy Pelosi ist 76, Steny Hoyer 77 und Jim Clyburn 76.
Der Richtungsstreit wird sich weiter zuspitzen, bis die Demokraten ab 23. Februar in Atlanta einen neuen DNC-Vorsitz wählen. Kommissarisch hat ihn Donna Brazile inne, die afroamerikanische Funktionärin mehrerer Wahlkämpfe. Im Zentrum der Auseinandersetzungen um die neue Führung stehen Anhänger des Clinton-Obama-Flügels sowie des Clinton-Herausforderers Senator Bernie Sanders. Er hat sich mit einer eindrucksvollen Kampagne über den Wahltag hinaus größeren Einfluss auf die künftige Ausrichtung der Demokraten verschafft.
Eigentlich hätte bei den Demokraten jetzt alles ganz anders sein sollen: Hillary als erste US-Präsidentin im Amt, die Partei im Kongress in der Mehrheit und Sanders nach starkem Vorwahlkampf wieder Hinterbänkler. Nun wird Trump Präsident, die Republikaner kontrollieren Abgeordnetenhaus und Senat, und Sanders steht in der ersten Reihe. Mehr noch, der progressive Flügel der Demokraten sieht in Trumps Sieg eine Bestätigung des Kurses, den Sanders im Wahlkampf verfolgt hatte - eine stärkere Betonung sozialer und wirtschaftlicher Themen als durch Clinton geschehen.
Die Wahl des neuen Parteivorsitzenden ist da ein Hauptfeld des Richtungskampfes, entsprechend die Ausgangslage: Sanders will den favorisierten Keith Ellison, liberaler Abgeordneter aus Minnesota, an der Parteispitze, der Obama-Clinton-Flügel Obamas scheidenden Arbeitsminister Tom Perez.
Gleich nach der Wahl hatte Sanders die Demokraten aufgerufen, nach links zu rücken. »Ist es richtig, rauszugehen und beträchtliche Geldsummen von den Reichen, Superreichen und Wall Street zu sammeln - und dann das amerikanische Volk überzeugen zu wollen, dass man auf der Seite der Arbeiter und Mittelschicht steht? Oder muss man nicht irgendwann zur Einsicht kommen, dass es nötig ist, sich die Oligarchen vorzuknöpfen, Wall Street, Pharmakonzerne, Versicherungsriesen, Monopolmedien, und zu versuchen, Millionen Menschen zusammenzubringen, um eine Partei anderen Typs zu schaffen als die, die wir gegenwärtig haben?«
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