Angst vor erneuter rechter Krawallnacht in Connewitz
Leipziger Neonazis tauschen sich in einem Internetforum über Sprengstoffbau und Antifaschisten aus
Legida ist wie ein Stehaufmännchen - eines allerdings, das in Leipzig niemand will. Das rassistische Bündnis war im vergangenen Jahr bereits totgesagt worden. Kaum noch jemand interessierte sich für die rechten Aufmärsche, zuletzt kamen zu den Versammlungen nicht einmal mehr 200 Menschen. Statt wöchentlicher Versammlungen gibt es längst nur noch monatliche Veranstaltungen. »Nach knapp zwei Jahren ist von Legida nicht viel mehr als ein Häufchen Elend übrig«, konstatiert daher auch die Leipziger LINKEN-Politikerin Juliane Nagel. Anders als das Dresdner Vorbild Pegida konnte Legida sich keine dauerhafte breite Basis an Unterstützern in der Bevölkerung aufbauen. Nagel erklärt, den Rechten fehle es an inhaltlichen Konzepten. Noch wichtiger sei es bisher jedoch gewesen, dass sich die Leipziger Zivilgesellschaft Legida entgegenstellte. »Ein Grund zum Feiern aber ist das nicht«, warnt die sächsische Landtagsabgeordnete. Denn: Im Fahrwasser von Legida habe sich die Leipziger Neonaziszene »inzwischen gut vernetzt«.
Genau darin liegt in diesen Tagen das Potenzial für eine erneute Eskalation: Als Legida vor einem Jahr gemeinsam mit Pegida sein einjähriges Bestehen feierte, zogen zeitgleich 250 Rechtsradikale durch den linksalternativen Stadtteil Connewitz und verwüsteten Teile der Wolfgang-Heinze-Straße, randalierten in Dutzenden Geschäften, zündeten Autos an und legten Brände. Besonders hart traf es einen Imbiss: Vermummte warfen einen Sprengsatz, die Detonation war so gewaltig, dass Teile der Decke einstürzten. Gäste und Personal konnten sich glücklicherweise rechtzeitig in Sicherheit bringen.
Während Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) von »Straßenterror« sprach, feierte sich die Naziszene im Internet für ihren »Sturm auf Leipzig«. Man habe »die Hurensohn-Antifa platt gemacht«. In den Monaten danach ermittelte die Polizei 215 Tatverdächtige, doch juristische Konsequenzen gab es bisher keine. Leipzigs Polizeipräsident Bernd Merbitz erklärte im Dezember frustriert, dass es noch zu keiner einzigen Anklage gekommen ist.
Ein Jahr später steht in Leipzig die Befürchtung im Raum, die rechtsradikale Randale könnte sich rund um den Legida-Jahrestag wiederholen. Wie die »Leipziger Internetzeitung« (LIZ) berichtet, gibt es entsprechende Hinweise in einem Onlineforum der Leipziger Naziszene. Verbreitet würden darüber nicht nur Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoff, sondern auch Informationen zu möglichen Anschlagszielen. Die »LIZ« berichtet von Tabellen, in denen Legida-Gegner verzeichnet sind. Worüber sich die Neonazis im Einzelnen austauschen, ist unklar, da das Forum in weiten Teilen nicht zugänglich ist. Am Montag gab die Polizei bekannt, Ermittlungen gegen die Betreiber des »Leipziger Montagsforums« aufgenommen zu haben.
Was rund um den zweiten Jahrestag passierte, wie viele Teilnehmer sich letztlich einem Legida-Aufmarsch anschließen würden, dazu gab es bis zuletzt viele Fragezeichen. Daran, dass das rassistische Bündnis wie vor einem Jahr knapp 4000 Anhänger mobilisieren kann, glaubte bis zum Schluss in Leipzig kaum jemand. Im Vorfeld sorgte allerdings der von Legida angekündigte Auftritt der rechten Hooligan-Band »Kategorie C« für Proteste. Die als rechtsextrem eingestufte Gruppe war auch 2015 bereits als Magnet besonders für ostdeutsche Neonazis aufgetreten. Beim Netzwerk »Leipzig nimmt Platz« sah man darin ein schlechtes Zeichen und forderte von der Stadtverwaltung erfolglos, den Auftritt zu verhindern. Das Bündnis erklärte, erst der Auftritt von »Kategorie C« vor einem Jahr habe viele rechtsradikale Gewalttäter angezogen.
Damit sich Szenen wie im Vorjahr nicht wiederholten, war die Polizei mit mehreren Hundertschaften vor Ort, besonders in Connewitz zeigten die Beamten Präsenz. Auf Seiten der Legida-Gegner organisierten Initiativen Kundgebungen und Demonstrationen, zu denen mehrere Tausend Teilnehmer erwartet wurden.
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