»008« und die Mauss-Millionen

Helmut Kohls Geheimdienst-Staatsminister sagte für privaten Ex-Geheimagenten aus

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Bis heute wissen wohl nur sehr wenige, ob Bernd Schmidbauer ein verunglückter Karnevalsgag ist oder ob der CDU-Mann, der unter Helmut Kohl in dessen Kanzleramt Staatsminister war, seinen James-Bond-Spitznamen »008« zu Recht trägt. So ähnlich ist es bei Werner Mauss, der sich »Geheimagent« nennt und wegen Steuerhinterziehung angeklagt ist.

Zu Wochenbeginn begegneten sich die beiden wieder. Vor dem Bochumer Landgericht. Für drei Stunden. So lange dauerte die Befragung des einstigen Ministers. Die gut war für Mauss. Und natürlich ehrlich, denn Schmidbauer hat zwar auf Lehramt und nicht Jura studiert, doch als alter Geheimdienstspezi weiß er natürlich, was eine uneidliche Falschaussage nach sich ziehen kann.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 76-jährigen Mauss vor, über 15 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben. Auf das geheime Konto waren die Strafverfolger nach dem Ankauf einer Schweizer Steuer-CD gestoßen. Das war im Geheimdienstmilieu widernatürlich einfach. Der Vorwurf stimmt nicht, protestierte Mauss. Es habe sich um einen Geheimfonds gehandelt, der ihm wirtschaftlich nicht zuzurechnen sei und für den er daher keine Steuern zahlen müsse. Mauss behauptete mehrfach, verschiedene westliche Geheimdienste hätten 1985 in Panama ein Konto für ihn eingerichtet. 23 Millionen Dollar schwer.

Diese Version stützte der Zeuge Schmidbauer. Er wisse von einer »internationalen Finanzreserve«, mit der Einsätze von Mauss in aller Welt bezahlt worden seien. Doch die Staatsanwälte fanden keine ordentlichen Belege. Woher kam das Geld? Bei der Antwort blieb Schmidbauer nach Einschätzung von Prozessteilnehmern etwas einsilbig. Das Begriffspaar »interessierte Länder« machte wieder die Runde. Doch das war den Beteiligten zu vage. Also bemühte sich Schmidbauer, das Gericht auf den Weg der Erkenntnis zu bringen, ohne etwas zu sagen. Als die Namen Israel und USA genannt wurden, meinte er: »Wenn sie die nennen, kann ich dem nicht widersprechen.« Aber auch nicht zustimmen?

Als Schmidbauer 1991 seine Stelle im Bundeskanzleramt antrat, seien bereits zehn Millionen Deutsche Mark auf den geheimen Konten gewesen, so der Zeuge. Woher weiß er, was Israel und die USA einem Herrn Mauss zugesteckt haben? Interessierte es ihn, weil die Kohl-CDU damals ja eine ganz besondere Affinität zu Schwarzgeld hatte? Etwa nach der Art: »Ich habe Spenden entgegengenommen, die nicht angegeben wurden, weil die Spender ausdrücklich darum gebeten haben, und ich habe nicht die Absicht, deren Namen zu nennen, weil ich mein Wort gegeben habe.«

Mit dieser Aussage hatte Helmut Kohl im Dezember 1999 seinen politisch-moralischen Absturz eingeleitet. Wolfgang Schäuble, der heutige Finanzminister, sagte in der ARD: »Es gab keine Spenden.« Und auf die irritierte Nachfrage des Interviewers deutete er auf »Schwarze Kassen« hin.

Doch das war viele Jahre nachdem die damalige CDU-Generalsekretärin, Angela Merkel, ihrem Mentor und Schmidbauers Ex-Chef, den Rest gegeben hatte: Es ginge, so sagte sie, »um die Glaubwürdigkeit der CDU«. Anderes Thema? Falscher Vergleich? Mag sein, Tatsache aber ist, dass Mauss unter seiner Identität »Richard Nelson« regelmäßig an die CDU gespendet hat.

Schmidbauer drehte vor Gericht weiter Wahrheitspirouetten. Hochbegabt, der Mann. Wie ehedem. Es sei ja kein deutsches Steuergeld geflossen, sagte Schmidbauer laut dpa-Mitschrift und hob die Aussage sofort wieder auf, denn: Mauss' Wege »haben sich uns nicht erschlossen«. Die nächste schwungvolle Drehung lautete: »Ich habe ihm vertrauen können.« Trotzdem könne er nichts über Ein- und Auszahlungen sagen. Versteht sich, als deutscher Staatsminister hatte er doch gar nichts zu schaffen mit dem Geld, das andere Nationen - warum auch immer - Werner Mauss zusteckten. Oder wäre das eine gar zu naive Deutung des schmierigen Geschehens?

Sicher scheint zu sein, dass »Claus Möllner«, so nannte sich Mauss auch, das Treuhand-Geld nicht nur bei seinen geheimen Operationen in Kolumbien oder im Nahen Osten verbraten hat, über die Illustrierte so ausführlich berichteten. Er transferierte nach und nach Millionen in verschiedene Länder, legte sie in hochriskanten Papieren an, gründete Stiftungen, begründete seine Alterssicherung. Dazu gehören eine festungsartige Villa im Hunsrück samt Privatflugzeugen und Sportwagen. Das alles, so Mauss, sei wegen der Tarnung notwendig gewesen. War es auch Tarnung, dass Mauss, der ja angeblich gar keine Steuern hinterzogen hat, zu Jahresbeginn knapp neun Millionen Euro ans Finanzamt Essen überwiesen hat?

In der Mauss-Affäre ist die letzte Aussage sicher noch nicht gehört. Ob es die geben wird? Abermals wird der Zeuge Schmidbauer jedoch nicht zur Wahrheitsfindung beitragen können. Der 76-jährige »008« ist nämlich weiter im Dienst der geheimen Sache unterwegs. Jüngst soll er zwei Leute aus der Haft libyscher Rebellen »freiverhandelt« haben. Ganz ohne Geld.

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