Polizei korrigiert Geschichte vom Kölner »Nafri«
Beamte räumen ein: Vor allem Iraker und Syrer waren in der Silvesternacht am Hauptbahnhof unterwegs
Köln. Die Kölner Polizei hat ihre Angaben zur Nationalität der an Silvester am Hauptbahnhof kontrollierten jungen Männer korrigiert. Unmittelbar danach hatte die Polizei gesagt, es habe sich bei den 650 überprüften Personen überwiegend um Nordafrikaner gehandelt. Zwei Wochen später ergibt sich nun ein anderes Bild. Demnach stammten die überprüften Männer zu einem großen Teil aus dem Irak, aus Syrien und Afghanistan, aber nur zu einem geringen Teil aus Nordafrika.
Insgesamt kamen nach Polizei-Angaben vom Freitag in der Silvesternacht etwa 2000 »nordafrikanisch beziehungsweise arabisch aussehende junge Männer« zum Kölner Hauptbahnhof und zum Deutzer Bahnhof. Die Polizei nahm 2500 Überprüfungen vor, wobei es aber vielfach um dieselben Personen ging, zu denen mehrfach Daten abgefragt wurden. Insgesamt ermittelte die Polizei die Identität von 674 Personen. Davon konnte bisher bei 425 Personen die Nationalität festgestellt werden. Von diesen 425 waren 99 Iraker, 94 Syrer, 48 Afghanen und 46 Deutsche. 17 waren Marokkaner und 13 Algerier.
Laut Polizeipräsident Mathies gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass die kontrollierten Menschen auch beim Jahreswechsel 2015/16 in Köln gewesen waren. Nach bisherigen Auswertungen sei kein ermittelter Tatverdächtiger aus der Silvesternacht 2015 und auch keine der 75 mit einem »Bereichsbetretungsverbot« belegten Personen in der Silvesternacht 2016 angetroffen worden, erklärte der Polizeipräsident. Zugleich betonte Mathies, dass sich viele Fragen noch nicht beantworten ließen, »da umfangreiche Ermittlungen zu mehreren hundert kontrollierten Personen und ihren Nationalitäten zeitaufwendig sind«.
Bei den angezeigten Straftaten bestätigt sich den Angaben zufolge der bislang dargestellte positive Trend. Bis zum Freitag wurden bei der Polizei für den Bereich Dom/Hauptbahnhof lediglich drei Sexualdelikte angezeigt. Ein massiver Rückgang von Anzeigen sei auch bei den Diebstahl- und Raubdelikten zu verzeichnen.
Die Kontrollen, bei der die Polizei in der Silvesternacht gezielt nach äußeren Merkmalen von Personen kontrolliert hatte, war auf massive Kritik gestoßen. Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies hatte sich am Tag darauf bei einer Pressekonferenz gegen den Vorwurf des »racial profiling« gewehrt. Es sei um das Verhalten dieser Männer gegangen, sagte er. »Der ganz überwiegende Teil war so, dass mit drohenden Straftaten zu rechnen war«, sagte Mathies. Dies habe die Polizei verhindert.
Besonders ein Twitter-Eintrag brachte der Polizei heftige Kritik ein, rassistisch zu handeln. Sie schrieb, am Hauptbahnhof würden »mehrere Hundert Nafris überprüft«. »Nafris« steht für die Gruppe mutmaßlicher nordafrikanischer Täter; Nordafrikaner waren es, die vor allem für die Übergriffe in der Silvesternacht 2015 in Köln und anderen Städten verantwortlich gemacht werden.
Kritik am Einsatz der Polizei kam unter anderem von Thomas Wüppesahl, dem Sprecher der Arbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten. Dem WDR und dem »Kölner Stadtanzeiger« sagte Wüppesahl, für den Einsatz in Köln hätten auch 500 Polizisten gereicht. Insgesamt sei der Einsatz wohl gut verlaufen. Die hohe Zahl der Beamten sei allerdings auf »Aktionismus« von Seiten der Politik zurückzuführen.
Auch Daniel Schwerd, der als einziges Mitglied der LINKEN im NRW-Landtag sitzt, bezweifelte, ob es sich nur um einen verunglückten Tweet der Polizei handelt. In einer Kleinen Anfrage will er von der Landesregierung wissen, wie sie den Begriff »Nafri« definiert und wie man diese Personengruppe erkennen kann. Schwerd fragt außerdem, wie die Landesregierung mit »racial profiling« umgeht und ob Polizeibeamte dafür sensibilisiert werden.
Dass dies nicht unbedingt der Fall ist, glaubt der Kriminologe Thomas Feltes von der Ruhr-Universität Bochum. Ein internes Hinweisblatt der Polizei NRW über ausländische Kriminelle bezeichnete der Wissenschaftler gegenüber der »Rheinischen Post« als »schlimmste Vulgärkriminologie« die den Eindruck vermittele, dass die »Polizeiführung in NRW nicht viel Wert auf Differenzierung« lege. Agenturen/nd
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