Niedriglöhner rebellieren

Busfahrer in Hessen setzen ihren Arbeitskampf fort

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch am Wochenende blieben die Busse in Frankfurt am Main, Offenbach, Hanau, Darmstadt, Gießen, Marburg und anderswo in den Depots der Streikbetrieben. Die in der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di organisierten Fahrer verzichteten damit auch auf die sonst begehrten Wochenendzuschläge zu ihren kargen Löhnen und bekundeten ihre Bereitschaft zum Durchhalten.

Bislang liegen die Stundenlöhne im maßgeblichen Tarif des Landesverbands Hessischer Omnibusunternehmen (LHO) bei mageren 12 Euro. Ver.di fordert unter anderem eine schrittweise Anhebung auf 13,50 Euro und deutliche Verbesserungen bei den Pausenzeiten.

In den Mitgliedsunternehmen des LHO sind rund 2300 Busfahrer im Einsatz. Neben einigen klassischen mittelständischen Familienbetrieben der Branche sind in diesem Arbeitgeberverband inzwischen vor allem hessische Ableger internationaler Konzerne und als Billigtöchter ins Leben gerufene Ausgliederungen kommunaler Verkehrsbetriebe organisiert.

In der vergangenen Woche hatten die Streikenden nicht nur Zuspruch und Rückendeckung bei Solidaritätsbesuchen aus den Reihen von Gewerkschaftern aus anderen Branchen und der hessischen Linkspartei erfahren. In Offenbach, Hanau und Darmstadt legten ab Mittwoch auch nicht direkt zum Streik aufgerufene Fahrer kommunaler Straßenbahnen die Arbeit nieder. Auch wenn sie nach den günstigeren Tarifen für Betriebe des Öffentlichen Dienstes arbeiten, sind sie vom Grundsatz »gleicher Lohn für gleiche Arbeit« überzeugt und wollen ihre nach den LHO-Tarifnormen entlohnten Kollegen nicht im Regen oder Schnee stehen lassen. Solidaritätsstreiks von nicht direkt Betroffenen kommen hierzulande nicht allzu oft vor und dürften ein Ausdruck starken Zusammenhalts sowie der Tatsache sein, dass viele Straßenbahnfahrer Erfahrungen als Busfahrer haben und sich in die Situation ihrer schlechter vergüteten Kollegen hinter dem Lenkrad gut hineinversetzen können. Solche in Deutschland relativ seltenen Solidaritätsstreiks hatten die Arbeitgeber offenbar nicht erwartet.

Der LHO hatte nach tagelangem Abwarten und Abtauchen am Freitag öffentlich seine Bereitschaft bekundet, »in einem Verhandlungstermin ein neues Angebot zu unterbreiten, wie die Arbeitsbedingungen und die Vergütung des Personals verbessert werden könnten«. Man habe ver.di konkrete Termine für Mitte kommender Woche genannt, so LHO-Geschäftsführer Volker Tuchan. Für ver.di war das Signal nicht konkret genug, um den Streik abzublasen und ohne Druck aus den Betrieben an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Nach tagelanger Zurückhaltung meldete sich am Wochenende auch Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) zu Wort und sprach sich für »schnellstmögliche« Wiederaufnahme der Verhandlungen aus. Unterdessen versuchen sich in mehreren Orten vom Streik betroffene Fahrgäste mit dem einstweiligen Ausfall der Busse zu arrangieren. So schlossen sich die Eltern von auf Bustransport angewiesenen Schülern zur Bildung von »Elterntaxis« zusammen. Der Kanzler der Marburger Universität rief alle motorisierten Studierenden und Angestellten zur Bildung von Fahrgemeinschaften auf.

Der aktuelle Busstreik ist nicht zuletzt auch deshalb ein Politikum, weil in Hessen der Dumpingdruck im Rahmen des von den Regierenden gewollten Ausschreibungswettbewerbs im öffentlichen Nahverkehr seit über einem Jahrzehnt besonders stark ist. Aus dieser Situation heraus waren die vielen Billigtöchter kommunaler Verkehrsbetriebe entstanden, die auf dem Rücken der Beschäftigten »Wettbewerbsfähigkeit« herstellten, auch wenn damit oft andere Nachteile und Qualitätsmängel einhergingen. Jetzt rebellieren die Niedriglöhner gegen die Zustände. Und die hessische Linkspartei sieht sich in ihrer Forderung nach Rücknahme der Privatisierungen und Rekommunalisierung von Betrieben und Einrichtungen der Daseinsvorsorge bestätigt. »Der Ausschreibungswahn ist längst viel zu weit gegangen«, ist der Landtagsabgeordnete und ver.di-Sekretär Hermann Schaus (LINKE) überzeugt. Er forderte dazu auf, Nahverkehrsleistungen in Zukunft wieder direkt an städtische Eigenbetriebe zu vergeben.

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